Das einzig Zuverlässige: Die Krise

Von Christa Schyboll

Es vergeht kein Tag, ohne dass man sie uns verspricht: Die KRISE! Wie ein kategorischer Imperativ steht sie uns ins Haus!

Und wehe wir schaffen sie nicht! Krisen sind nämlich für vieles gut. Für Zeitungen besonders. Aber man kann sich auch wunderbar realistisch gruseln, wenn nebenan schon mal der Möbelwagen anrückt und wieder etwas zwischen den beiden gebacken ist. Geahnt hatten wir es ja schon lange. Aber jetzt ist sie offensichtlich. Diesmal die Ehekrise.

Aber die Krise hat viele Namen und viele Orte. Sie spielt ihre Rolle überall ziemlich perfekt. Mal spielt sie Finanzkrise, mal Wirtschaftskrise, mal Absatzkrise. Dann ist sie eine religiöse oder politische Krise, eine Beziehung- oder Gesundheitskrise. Eine Öko- oder Klimakrise. Manchmal schämt sie sich ihres Namens und nennt sich einfach nur Rezession oder Inflation, Noro-Virus oder Altersdemenz. Aber die warnt mit sich… und zwar fürs ganze Kollektiv. Das ist das Schöne an ihr. Sie will gerecht sein. Sie will sich überall verteilen. Sogar eine Reichenkrise wurde schon einmal versucht. Aber die klappte nicht wirklich. Irgendwie konnte sich die Krise dort noch nicht so richtig festsetzen.

Wir leben im Zeitalter eines Krisen-Voyeurismus? Wo findet gerade die größere statt? Zwischen Israel und Palästina oder zwischen Schwulen und Homos? Zwischen der Kirche und den Atheisten oder doch mehr zwischen Barbara und Berthold, die letztlich für alle Männer und Frauen dieser Erde mit ihren Problemen stehen.

Wissen Sie denn schon, ob Ihr Nachbar zur linken schon Valium einwirft, ihr Nachbar zur Rechten den ersten Kuckuck erwartet und ihr Schwager schon mal das Weite ins Ausland gesucht hat? Jeder Krisenbericht ist hoch willkommen.

Dabei haben wir in unserem Land schon viele Krisenkompetenzler. Damit sind diesmal nicht die Meinungsforscher gemeint, sondern beispielsweise die Obdachlosen, Arbeitslosen, Zeitarbeiter, Billiglohnarbeiter, moderne Sklaven - die es eigentlich nicht geben dürfte. All diese Menschen sind echte Krisenexperten.

Wir haben wirklich viele von ihnen. Zu viele Experten, die uns aber in anderen Lebensbereichen händeringend fehlen. Oder sehen Sie ein zuviel an Fachleuten für Gesundheit, Humor oder eine prosperierende Erde? Experten für gerechte Energieverteilung, für die Hungerbekämpfung oder den Waffenabbau? … Ich sehe nur steigende Exporte bei der Rüstung, die uns wunderbar viele Arbeitsplätze beschert, damit wir wenigstens beim Töten niemals eine Krise bekommen, nur weil es am Ende an Waffen fehlt.

— 18. November 2012
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