Leben

Im Leben von Wahrheit und Irrtum ertrinken? Von Christa Schyboll

Jeder Mensch hält es anders mit seinem Leben. Der eine Mensch droht in so mancher schweren Stunde darin zu ertrinken. Ein anderer plätschert überwiegend seicht auf der Oberfläche des Lebens dahin. Wieder andere wählen den Mix zwischen Tiefgang und Auftauchen in den Fluten des täglichen Seins.

Lebensintensität wird dabei so unnachahmlich vielfältig erlebt, wie es Individuen gibt, die sie selbst gestalten. Was ist es aber, das uns das Leben so unterschiedlich erleben lässt? Warum erleben wir die gleichen Ereignisse so unterschiedlich tief oder leicht? Warum schmerzt sich der eine an einem Wort, während der andere ganz locker seinen imaginären mentalen Radiergummi ansetzt? Wären diese Fragen bereits beantwortet, köderten die Marktstrategen mit Werbung viel größere Käuferschichten für dieses oder jenes. Aber der menschliche Geist ist eine freie, kreative „Masse“, die an sich selbst formt und gestaltet und sich in kein festes Muster pressen lässt. Der Grund: Er ist in ständiger Entwicklung und Veränderung. Auch wenn manches dabei nur zäh voran zu schreiten scheint.

Diese unkalkulierbare Veränderung jedoch ist eines der Zaubermittel, dass unsere persönliche Intensität mit beeinflusst. All die vielen Prägungen, die Rillen und Spuren in unser Gedächtnis gepflanzt haben, verändern auch ständig unsere Wahrnehmung und unsere Handlung. Sie geben uns mehr uns mehr eine bessere Urteilsbefähigung, je wacher und aufmerksamer wir selbst uns innerhalb solcher Prozesse verfolgen.

Nicht immer jedoch lässt uns das Leben die Zeit, bewusst zu reflektieren, was wir selbst tun und wollen, was wir diese oder jene Ereignisse unbewusst anlegen und Schienenstränge manchmal in gleich verschiedene Richtungen legen. Nicht immer können wir erkennen, ob es nun gut oder schlecht war, sinnvoll oder unsinnig, weil die Bilanz aus sehr verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Entscheidend kann aber nur der eigene Blickwinkel sein, weil er es ist, der uns schmerzt oder positiv berührt. Das Ergebnis einer Handlung oder Sache weckt uns immer auf. Irrtümer oder unerwünschte Ergebnisse schrillen anders in ihrem inneren Ton in uns selbst, als der Wohlklang einer rundherum gelungenen Aktion. Horchen wir ehrlich in uns hinein, wird auch der Taube hörend. Aber nicht jeder horcht gern, sondern palavert lieber. Dieses Recht gehört zur Freiheit des Menschen.

Heißen wir das Leben mit seinen Irrtümern und Wahrheiten zugleich willkommen! … Freuen wir uns daran, dass intensiv gelebtes Leben uns zu den Quellen führt, die uns nähren. Und begreifen wir, dass der Irrtum oftmals die Basis für eine durchgreifend verstandene Wahrheit sein kann.

— 19. Juni 2013
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