Lebenskampf

Von Frust, Humor und Fatalismus – von Christa Schyboll

Haben Sie hin und wieder auch das Gefühl, der Kosmos habe Sie voll in den Matsch geworfen? Will heißen: Sie haben ständig um alles zu kämpfen, während die Dumpfbacken in ihrer sozialen, privaten oder beruflichen Umgebung alles irgendwie geschenkt bekommen.

Mich ereilen solche Ahnungen häufiger, wenn ich sehe, wie leicht es vielen meiner Zeitgenossen fällt, Probleme zu ignorieren, Missstände zu umschwimmen und überhaupt das Gewissen bei allen möglichen Entscheidungen auszuschalten, so als wäre diese Instanz im Menschen eine Art verzichtbare Stielwarze.

Neidvoll blicke ich dann auf süffisante Gesichter, die mich tröstend belehren wollen, dass ich etwas Grundsätzliches offenbar falsch mache. Es scheint an meinen Gedanken und Gefühlen zu liegen, die ständig überkreuz sind mit Ungerechtigkeiten, Infantilitäten oder mangelndes Expertentum dort, wo die Menschen aber genau dafür richtig gut bezahlt werden.

Oder nimmt man die privaten Bereiche, so passiert es ständig mir, dass ich die nicht brauchbaren Geschenke der Anderen zu Festivitäten erbe, ohne dass Schamesröte sie bei der Übergabe an mich flutet. Im Gegenteil. In fast zeremoniellem Ritual werden mir Opern reif Dinge übergeben, die ich nicht nur nie haben wollte, sondern die nicht einmal in meine Mülltonne passen. Und dann zieht zu allem Übel noch das antrainierte Muster, sich dafür auch noch gestenreich und freudig bedanken zu sollen. Denn die Umherstehenden erwarten dies von mir, der so reich Beschenkten im Glück.

Ähnlich verläuft auch das immaterielle Fiasko meines Lebens. Nehmen wir Diskussionen. Es geht um Politik oder Gesellschaft. Es entspinnt sich eine richtig spannende Diskussion. Argumente werden für eine kurze Zeit ausgetauscht und dann ist mein Gegner (manchmal) Schachmatt. Er weiß einfach zu wenig darüber, hat nur oberflächliche Informationen und steckt im zusammengebrochenen Tunnel seiner eigenen gedanklichen Verhedderung. Ein anständiger Mensch würde hier nun einen geordneten Rückzug antreten. Würde zugeben, dass er an dieser Stelle nun passen müsse, weil ihm dies oder jenes zum aktuellen Thema halt unbekannt ist! Weit gefehlt! In meinem Schicksal läuft so was anders. Ich treffe fast nur auf solche Dumpfbacken, die das gerade gemeinsam unter Anstrengung erbaute sinnvolle Gedankengebäude sofort ins Lächerliche ziehen und mit einem Paukenschlag zertrümmern. So wie Kinder aus Wut beim Mensch-Ärgere-Dich alle bunten Menschen vom Spielfeld fegen. Dazu hat man dann eine volle Stunde Konzentration aufgewandt und sich ernsthaft und redlich bemüht! Sinnlos, das Ganze! Aber es kommt noch schlimmer: Sie haben nämlich auch noch die stillen Zuhörer als jetzt laute Lacher hinter sich, die ihnen für diesen „Witz“ (auf meine Kosten) auch noch auf die Schulter klopfen! Selbst schon länger nicht mehr ganz folgen könnend sind sie erfreut und erleichtert, dass „es mir einer aber jetzt gegeben hat“…

Ich atme angesichts solcher Erlebnisse dann mal wieder schwer durch und - stehe wieder einmal erschöpft und betröppelt auf der Bühne eines doch sehr merkwürdigen Humors, der sich wie eine bizarre Blüte in meinem Lebensdschungel Kosten meiner Zeitressourcen entfaltet.

Nicht, dass es mir selbst an Humor fehlt – nein, aber er ist so einsam anders, dass ich vermute, als Spielball trunkener Götter aus Versehen wohl auf den falschen Planeten geschmissen worden zu sein.

— 18. Oktober 2010
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