Fasten

Fastenkur für den Geist gefällig?, fragt Christa Schyboll

Wäre Fasten allein eine religiöse Zeremonie, die unter anderem auch der inneren Reinigung dient, würde die Gruppe der Fastenden schnell schmelzen.

Nein, fasten hat bei vielen Menschen durchaus auch mit der Eitelkeit zu tun, mit der Schwimmbadfigur und überhaupt der eigenen Attraktivität. Trotzdem ist es in den meisten Fällen gesund, Motivlage hin oder her.

Was aber, wenn sich der Mensch eine andere moderne Form des Fastens zumuten würde? Handyverzicht. Computerverzicht. Verzicht auf Zeitungen, Tagesschau, Infotainment. Verzicht auf all das mentale Betäubungsgift, dass uns so am laufen hält. Vielleicht sogar noch Verzicht auf Bücher, um auch im Kopf einmal so leer zu werden, wie es viele Fastende gerade in der Vorosterzeit mit dem Magen versuchen.

Eine innere Reinigung vom Wort, von der Information oder Nachricht. Keine Rückäußerung, keine Klärungen, keine Belehrungen, keine Erläuterungen, die immer neue gedankliche Gefangenschaften in uns auslösen, ohne dass wir sie überhaupt bemerken. Verzicht auf Mails, Mitteilungen, Denkschriften, Protokolle oder Rundschreiben und einzig nur das wirklich Allernotwendigste beantworten, das uns anschließend nicht in juristische oder sonstige Schwierigkeiten bringt.

Ich gebe es gerne zu: Es würde mir extrem schwer fallen, das zu tun, was ich hier andenke. Es selbst noch nicht zu können, soll aber kein Grund sein, diesem Gedanken dennoch schon einmal etwas Positives abzugewinnen. Den meisten Menschen fällt es schon schwer, sich nur einen einzigen Tag freiwillig und bewusst sich von jeder Außenbeeinflussung freizuhalten. Geschweige, eine ganze Woche oder gleich sechs gesunde Kurwochen für den modernen überlasteten Geist.

Den Ausgang eines solchen Experimentes kann wohl niemand voraussagen. Vermutlich würde der menschliche Geist durch ähnliche Krisensituationen gehen, die auch der Körper bei einem sechswöchigen Fasten durchmachen muss. Vom Schmerz über den Entzug, vom Mangel bis in die Euphorie dürften sich individuell viele verschiedene Stufen von Veränderungen ereignen, bis es ein gesundes Neues ist, das sich zeigt.

Würde es am Ende zu einer besseren Gesellschaft führen? Würden Politiker mit leerem Kopf und ohne Beeinflussung mächtiger Lobbyisten dann anders entscheiden als bisher? Würden sich innere Stimmen lauter als sonst vernehmen lassen, denen zu folgen wir schon lange verlernt haben? Würde das Getöse einer ständig überlauten Welt uns zum Eigentlichen zurückführen? Würde auf der Basis einer neuen gesunden Leere im Hirn nun eine vortreffliche Gedanken-Qualität wachsen, die uns allen doch viel besser dient? Oder würde dieser Aufbruch ins Gesunde nur eine leichte vorübergehende Brise sein, die sich all zu schnell verflüchtigt? Weil der Mensch längst ein Junkie ist, der sich lieber weiter betäubt? -

Während an dieser Stelle vermutlich viele Menschen lieber gern "Nein" sagen möchten, tun sie aber das, was sie immer tun, konsequent weiter.

— 12. März 2013
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