Nocebos

Eingebildete Kranke oder was?, von Christa Schyboll

Placebos sind Scheinarzneimittel ohne Wirkstoff, die dennoch zu einer subjektiv empfundenen Verbesserung eines Krankheitszustandes führen können. Inwieweit die Weisheit des eigenen inneren Arztes durch Gedankenkraft oder Glaube an Heilung da eine tragende Rolle spielt, ist immer noch umstritten. Nicht aber, dass es hin und wieder wirkt.

Nocebos sind scheinbare negative Auswirkungen eines Arzneimittels. Hier gilt der umgekehrte Faktor als beim Placebo. Ist das Gerücht, dass sich im Nocebo etwas Gefährliches oder Schädliches für den Organismus befindet, nur ausreichend stark im eigenen Glaubenssystem verankert, kann der Körper mit einer entsprechenden Reaktion plötzlich Symptome zeigen, die tatsächlich beispielsweise einer echten Vergiftung nahekommen.

Beides ist als Phänomen an sich seit Jahrtausenden bekannt, wenngleich sich nur selten früher jemand mit den Hintergründen befasste – sieht man von den auch damals schon klugen Heilkundigen und Pionieren echter Menschenkunde ab. Hatte man keine Erklärung, dann war es Gottes Strafe.

Was seit der Erfindung schneller Massenmedien aber eher neu ist, ist der weltweit medial gestreute Gerüchtewald in die eine oder andere Richtung. Dahinter stehen massive Interessen bestimmter Gruppen, denen es überhaupt nicht gleichgültig sein kann, ob da Gottes Strafe angenommen wird oder etwa schnöde Nichtbeachtung! Denn beides würde das anvisierte Ziel einer gewissen Gewinnmarge unterlaufen.

Beispielsweise die Sache mit der Lactose-Intoleranz, die plötzlich gigantisch anwächst. Natürlich gibt es echte Betroffene, die gut daran tun, darauf zu achten und sich entsprechend zu ernähren. Aber es gibt im Gefolge des ständigen Masseninputs eben auch jene, die nun unter die Gruppe der Nocebos einzuordnen wären. Hypochondrie droht zum Trend zu werden, der gleich viele Bereiche umfasst. So auch die Frage des Gluten oder der Fructose. Je mehr man darüber liest, umso mehr verstärkt sich der Verdacht, dass man sogar eine ganze Reihe dieser schrecklichen Intoleranzen im eigenen Körper beherbergt und es nur das schier unfassbare Glück war, dass man nicht schon früher darauf kam, warum hier ein Pickel oder dort ein Gelenkschmerzchen auftritt, das man früher einfach nicht beachtet hat. Früher heißt: Zu Zeiten, wo man noch anderes im Kopf als prioritär betrachtete und dementsprechend die eigene innere Aufmerksamkeit nicht auf jede Körperveränderung ausgerichtet war. Auch das hat mit der Kraft und Wirkung der Glaubenssätze zu tun, wie man sie sowohl bei beim Placebo, wie beim Nocebo antrifft.

Eine Welt von Hypochonder ist hervorragend geeignet, die Aktienkurse der Pharmaunternehmen steigen zu lassen. Denn wir wissen ja: Gegen jedes Mittel gibt es ein Gegenmittel. Ein Pillchen, ein paar Tröpfchen…

Nur für eines hat man – zur Freude vieler Wirtschaftszweige – noch kein rechtes Mittel gefunden und wird die Forschung danach auch sicherlich nicht übertreiben wollen: Gegen die menschliche Dummheit, auf jeden medialen Schwachsinn immer gleich reinzufallen und sich Dinge einzubilden, die es zwar gibt, aber nicht wirklich in der eigenen Realität.

— 04. April 2014
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