Langweiler

Vom Umgang mit nervigen Zeitgenossen, von Christa Schyboll

Hin und wieder treffen wir auf jene Mitmenschen, die uns entsetzlich langweilen. Dann stehen wir vor einem zwischenmenschlichen Problem. Wie sollen wir damit umgehen?

Besteht die günstige Gelegenheit, sich der Gesellschaft zu entziehen, ist man fein raus. Aber häufig ist man für eine gewisse Zeit in ungeselliger Gefangenschaft. Dann ist die eigene Phantasie gefragt, um die drohende gähnend langweilige Zeit gut zu überstehen.

Man könnte den Spieß nun umdrehen und selbst für ein wenig interessante Stimmung sorgen. Das geht natürlich nur, wenn man selbst nicht auch ein Langweiler ist - und es vielleicht bisher nicht einmal bemerkt hat. Denn nicht in jeden Spiegel, den einem das Leben so vorhält, hat man auch Lust hinein zu schauen. Langweilig muss es nämlich mit Langweilern nicht bleiben. Es liegt eben auch an einem selbst!

Was aber unterscheidet den Langweiler denn von jenen interessanten Gesprächspartnern, deren Nähe man gern sucht und von denen man gar nicht genug bekommt? Selbst dann, wenn man eigentlich keine Zeit hat. Menschen, die so interessant sind, dass wir unsere Prioritäten gerne verschieben. Sie geben Kraft und Energie. Sei es über Humor, sei es über interessante Gespräche, Neuigkeiten von Wert oder auch Weisheiten. Sie schenken uns etwas. Und das nehmen wir gern dankbar an.

Bei der Gruppe der Langweiler jedoch hat man das umgekehrte Gefühl. Sie nehmen uns Kraft. Sie saugen uns aus - sofern wir uns aussaugen lassen. Sie "erwarten" etwas, ohne dass sie es sagen - oder aber man erwartet nun selbst etwas von sich, weil der Langweiler eben nichts hergibt. Strengt man sich deshalb für sich selbst und ihn zugleich noch mit an, bewerkstelligt man einen gewissen Kraftakt, der keinen Spaß macht und letztlich oft auch versandet. Man macht ihn trotzdem so ganz automatisch, weil man die Situation für beide retten will. Man hat keine Lust, in die Stimmung einer gefühlten Lähmung einzutreten und setzt die eigene Aktivität dagegen.

Fein zu unterscheiden sind Langeweiler von jenen sensiblen Menschen, die die Kunst des echten Zuhörens beherrschen. Die wortlos sein können und gleichzeitig aber so präsent und aktiv, dass man ein angenehmes Gefühl verspürt und sie sehr gerne in der eigenen Nähe weiß. Hier kann sogar Stille zum Genuss werden, weil es sich um eine wissende Stille handelt und eben nicht nur um die Abwesenheit von Lebendigkeit oder Information.

Langweiler merken zumeist nicht, dass sie anderen Menschen Kraft nehmen. Da ist in der Regel keine böse Absicht mit verbunden. Es zeigt sich ein Mangel, der ihnen selbst noch nicht einmal bewusst ist. Und vielleicht realisieren die echten Langweiler diesen eigenen Mangel auch noch nicht einmal, wenn sie unter ihresgleichen sind, weil ihnen die Alternative zu sich selbst in noch zu ferner Zukunft liegt.

— 29. Juli 2013
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