Die Militärs und der Krieg

Entkommen wir einmal dieser tödlichen Spirale?, fragt Christa Schyboll

"Wir fressen einander nicht, wir schlachten uns nur." Wenn man mit diesen Worten von Georg Christoph Lichtenberg sich die Militär- und Kriegsfrage auf der Zunge zergehen lässt, wird es nur noch wenige Menschen geben, die dennoch gern und freiwillig zum Schachtplatz gehen - egal ob als Schlächter oder als Schlachtvieh.

Wer davon lebt und sich ganz dem "Kriegshandwerk" verschrieben hat, wird und muss es wohl anders sehen, um seinem selbst gewählten (oder in Diktaturen auch auf erzwungenen) Weg überhaupt noch gehen zu können.

Klar ist eines: Würden alle Menschen weltweit den Krieg mit kriegerischen, tödlichen Mitteln des physischen Kampfes radikal verweigern - so wäre das Thema auf dieser Ebene gegessen. Auf der geistigen und psychischen Ebene jedoch noch keinesfalls. Wir hätten zwar die barbarische Stufe des Schlachtens und Abschlachtens hinter uns, was im offiziellen Jargon immer nur der "Verteidigung von Interessen" dient, aber das Thema Krieg und Militär würde uns auf die nächst subtilere Ebene durchaus noch begleiten.

Woran liegt es? Die Gründe sind vielfältig und komplex auf der einen Seite - auf der anderen Seite aber auch so schlicht und einfach, dass man es durchaus mit einem Begriff auch zusammenfassen kann: Das Gesetz der Polarität. Solange wir in dieser Gesetzmäßigkeit verbleiben und sie als unüberwindlich behaupten, werden heiße oder kalte, psychische oder mentale Kriege die Wirklichkeit bleiben, die dann keine Körper mehr töten, sondern Gefühle oder Seelen. Sie werden aber weiter Täter und Opfer erzeugen und vor allem immer wieder eines: Leid ohne Ende … auf welcher Ebene des Seins auch immer.

Doch wie ist dieser scheinbar fest zementierten Gesetzmäßigkeit denn zu entkommen? Es reicht wohl kaum aus, einen inneren Friedenswillen zu haben – den wohl die Mehrheit der Menschen gern von sich behauptet. Dazu kommen muss ein viel radikalerer Ansatz, der nicht nur den Frieden ersehnt, sondern auch von der realen Möglichkeit zum Frieden so zutiefst überzeugt ist, dass die diversen Ängste, die diese Friedenssehnsucht doch offensichtlich kollektiv blockieren, in den Hintergrund treten.

Denn was ist es denn letztlich, was Menschen zu Hunderttausenden, Millionen in den Krieg ziehen lässt: Es ist eine Form von (Verlust-)Angst, die eine bestimmte Dominanz hat. Da Angst aber ein sehr schlechter Berater ist und ängstliche Soldaten keine guten Soldaten sind, muss dieses Gefühl durch eine positive Motivation unbedingt ersetzt werden. Hierzu sind der Schutz der Heimat, der Schutz der Angehörigen, der Schutz der Freiheit, Demokratie oder sonstiger Werte - auch und vor allem der Schutz eines sehr angenehmen Wohlstandes, von dem wir mittlerweile fast alle abhängig sind. Und da diese Dinge tatsächlich positiv und schützenswert sind, funktioniert auch die Rekrutierung durchaus auf einer freiwilligen Ebene. Dir vordergründig ausgegebene Motivation funktioniert.

Dass es weltweit genügend Gruppen gibt, die hervorragend am Krieg verdienen – besser als an allen Friedensprojekten – ist ein weiterer Hemmschuh, dem heißen Krieg als Mittel endlich abzuschwören. Aber ohne die Bereitschaft der jungen Menschen, zu sterben, kämen all diese Milliardengeschäfte nicht zustande. Zu viele, die zu gut davon leben und dabei die Fäden in Politik und Wirtschaft so leiten, dass das Spiel des Schlachtens munter und tödlich weiter geht. Und wenn nicht auf eigenem Boden, dann aber doch gern mit Unterstützung der eigenen Rüstungsindustrie. Sollen die anderen doch sterben - solange wir daran verdienen und das Blut nicht wegwischen müssen!

Seitdem der Mensch ausreichend viel besitzt, was ihm von einem anderen Menschen genommen werden könnte, ist der Krieg unter den Menschen zugange. Wer glaubt, es gäbe dazu keine Alternative, dem fehlt es an moralischer Phantasie was die geistige Evolution des Menschen angeht. Und wer diejenigen unterschätzt, die umgekehrt an die Kraft zur Überwindung des Krieges glauben, wird einmal eines besseren belehrt werden. In welchem Jahrtausend das jedoch als kollektive Gemeinschaftsaufgabe gelingt - ist noch offen. Aber es wird einmal möglich sein.

— 03. August 2010
 Top