Von den unseligen Missverständnissen untereinander

Kurze Situationsanalyse eines wiederkehrenden Ungetüms von Christa Schyboll

Stellen Sie sich folgende Situationen vor: Sie haben eine Anschauung über ein Thema. Sie diskutieren darüber mit einigen Leuten kontrovers, mit anderen einig, bejahend, vertiefend. Sie sind engagiert mit Herzblut dabei, jenseits von Besserwisserei.

Sie bemühen sich, gehen so gut Sie können, auf jeden ein und am Ende wird das Ganze als "Rechtfertigungsversuch" gesehen und damit quasi abgewertet. Dabei geht es um nichts anderes als um Ihr Bemühen, sich mit Ihrer wohlerwogenen Position möglichst allen so gut es geht verständlich zu machen. Es ging um nichts als das Verständnis, warum sie so denken, handeln, sprechen wie sie es tun.

Diese Situation ist aber auch wunderbar übertragbar auf Partnerschaften/Freundschaften wo es um Angriffe, Vorwürfe oder was auch immer geht… dann aber in einer Zweierkonstellation im schwierigen Pro und Contra. Kennen Sie solche Situationen? Wenn nein, ist der Rest des Beitrages sicher uninteressant für Sie.

Wenn ja, wie fühlen Sie sich dann? Was machen Sie? Wie gehen Sie erfolgreich oder zufrieden aus dieser unbefriedigenden Situation, die sie gerade verletzt hat und die eigentlich NUR aufgrund eines Missverständnisses in der Kommunikation zustande kam. Es ging gar nicht um Streit, sondern um Austausch, der konstruktiv von allen angelegt war. Aber diese Ursprungsabsicht verschwand im Nebel der vielen Worte und Argumente.

Plötzlich griff man verbal ins „NICHTS“, in dem nun eine Situation im Raum entstand, in der alles anders war als vorher. Vorher herrschte die Freude am Austausch, an der gegenseitigen Bereicherung durch Betrachtungen … und nun steht ein schwerer Missklang zwischen den Menschen. Manchmal tut er fast weh. In anderen Situationen wiederum macht er aggressiv oder mundtot, nervt oder reibt auf eine Weise auf, die nichts mehr von einer schönen lebendigen Diskussion hat, sondern ätzend wird. Warum? – weil man sich miss-versteht! Und keinesfalls, weil man „nur“ eine andere Mein-ung hatte.

Der fatale Clou bei all dem ist: Man fühlt sich nicht selten in solchen Situationen als Mensch abgelehnt – oder als Freund, Partner, Vertrauter so gründlich missverstanden, dass es deshalb eben schon weh tut, weil der andere einen doch „kennen müsste“. Missverständnisse eben! Dem anderen geht es aber oftmals genauso. Nicht der Unterschied in der Sache selbst wird zum Zentralproblem, sondern die Anschauung, die auf das eigene Wesen mit abzielt und dieses dann mit im Visier hat. Feinste Nuancen in Tonlagen, Gesten und Mimik fangen nun an eine Rolle zu spielen – bis die erste Tür knallt und den Startschuss vielleicht nun für einen handfesten Krach gibt, der so leicht vermeidbar gewesen wäre, wenn man vorher die Gesetzmäßigkeiten von Missverständnissen ein wenig beachtet hätte.

Patentrezepte zur Vermeidung kann es keine geben, da jede Situation ihre eigenen Bedingungen hat. Aber man kann – so man möchte – aus diesen immer wiederkehrenden Situationen lernen, in dem man sich selbst kritisch wie auch die anderen beobachtet, die richtigen Schlüsse draus zieht und so dem Geheimnis der Interaktion der Menschen untereinander immer näher auf die Spur kommt.

— 19. November 2009
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