Zum Muttertag

Die Abrechnung einer Mutter serviert Christa Schyboll

Liebe Kinder, ich wollte euch immer schon einmal Danke sagen. Ich nehme den Muttertag dafür zum Anlass und versage mir sogar diesmal jeden satirischen Unterton.

Es gibt also nichts zu lachen heute. Ausnahmsweise! Dafür eine Abrechnung, die sich gewaschen hat! Denn ich habe bilanziert. Da ihr mathematisch nicht unbegabt seid und mir auch sonst hin und wieder blitzschnell folgen könnt, wenn ihr euch nur freiwillig dazu aufrafft, werdet ihr ins Staunen kommen!

Ich bin nämlich endlich einmal nicht in den Roten Zahlen, wenn ich meine erbrachten mütterlichen Leistungen an euch faktisch festmache:

  1. Ich habe drei Kinder großgezogen. Bisher ist keiner im Jugend-Knast gelandet. Ich habe also nicht über Gebühr den Staat schon zur Unzeit mit Sonderausgaben belastet.
  2. Ich habe euch in 768,6 Stunden getröstet. Jahrelang und wechselweise nachts, wo es eigentlich keinen Grund für euer Geheul gab. Ich bin trotzdem aufgestanden, habe euch gewiegt, habe euch ein Liedlein gesummt. Hin und wieder habe ich euch auch heimlich beschimpft. Nämlich dann, wenn ihr mit dem Geschrei einfach nicht enden wolltet, nur weil euch meine Tonlage zu schräg war. Aber ich habe euch auch am Tag getröstet, wenn die Lehrer versagten, wenn eure Klassenkameraden euch Keile austeilten, wenn das blöde Fahrrad euch zu Boden schmiss oder die Türkengang euch mal wieder mit dem Messer bedrohte. Dann war ich da und bedrohte für euch die ganze Welt!
  3. Ich habe 346 Stunden in Wartezimmern von Kinderärzten und Unfallabteilungen verbracht. Natürlich kamen alle Kinderkrankheiten nicht etwa zusammen, wie es zeitlich ökomisch vernünftig gewesen wäre. Nein, alles kam immer zeitversetzt. Wie auch die nicht mehr zu zählenden Unfälle, für die ihr geradezu begabt wart. Die Wartezeiten für moderne Mütter im Stress sind grausam. Und immer ihr wart so krank, dass ich in diesen erbarmungslos harten Stunden nicht einmal in meinem Roman lesen konnte. Sondern wiederum hatte ich zu trösten, streicheln und zu summen!
  4. Ich habe 2 Stunden im Leben mit Stricken verbracht. Dann habe ich es sein lassen. Es war besser so. Für alle. Ihr hättet es nie getragen. Wenn doch, hätte anschließend eine Aufbautherapie beim Kinderpsychologen stattfinden müssen. Gut, dass ich vorausschauend war.
  5. Ich habe 1149 Stunden an Schularbeiten gesessen. Ihr wolltet nicht üben. Ihr fandet das Kacke. Ich auch! Aber ihr durftet das sagen. Ich nicht. Denn ihr habt schon immer gut aufgepasst, was ich zu euch sagen hatte und habt es oftmals raffiniert gegen mich verwendet.
  6. Ich habe 462 Stunden mit euch Weihnachten gefeiert. Wir ihr wisst, ging das über viele Tage im Jahr. Manchmal monatelang. Je nachdem, wann Aldi Weihnachten eröffnete und ihr dann mit zum Einkaufen gingt. Es war eine schöne Zeit. Ach, Kinder, war das schön! Und vor lauter kaufen, haben wir dann bis Mitte Februar gefeiert. Dann war der letzte Schokonikolaus vertilgt. Pünktlich zur österlichen Fastenzeit, für die ich aber leider niemals jemanden zu begeistern wusste.

Und für all das schenkt ihr mir jedes Jahr einen Topf Orchideen?

Kinder! Ich verdiene die Heiligsprechung!

Eure Mutter

— 27. April 2013
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