Der Neidfaktor

Eine zuverlässige Verhinderung dauerhafter Freundschaften, meint Christa Schyboll

Lohnt der Begriff "Neid" ein wenig Nachdenken darüber? Eigentlich nur für jene, die entweder noch Spuren von Neid in sich tragen oder jene, die unter dem Neid anderer Menschen leiden.

Neid ist eines jener verwerflichen Gefühle, die uns immer wieder begegnen und auch betroffen machen. Oft kommt er so indirekt daher, dass wir ihm nicht spontan begegnen können, sondern uns leise fragen, ob wir es nun selbst waren, die den Neid mit unserem Glück oder günstigen Umständen entfachten und nun, statt sich freuen zu dürfen, spitze Bemerkungen zu hören bekommen. Nicht immer ist man selbst schuld, wenn einem der Neid offen entgegenschlägt oder auch seine verschämt versteckte Schwester der heimlichen Missgunst wie ein Pesthauch durch den Raum weht. Selbst bei zurückhaltendem Verhalten und bescheidenem Auftreten angesichts eines schönen Erfolges, kann der Neid des anderen voll zuschlagen. Nicht selten passiert dies aber auch an dritter Stelle, ohne den Hauptbetroffenen. Neidhammel finden oft Gleichgesinnte, die auch liebend gern nun den Erfolg klein reden, dämpfen, relativieren, schlecht machen oder sogar in Misskredit zu bringen versuchen.

Man braucht also gar keine großen Töne zu spucken, um dennoch den Neid aus der nächsten Umgebung auf sich zu ziehen. Dabei ist es interessant, dass es keineswegs die Habenichtse sein müssen, die da voller Neid oder Missgunst stecken, sondern oft jene, die selbst satt im Futter stehen, Erfolge haben, selbst genug, gar überreich auch finanziell abgesichert sind und es dennoch einfach nicht ertragen können, wenn auch andere Menschen ihre Ernte einfahren. Sei es privat oder beruflich, sei es materiell oder gesundheitlich, sei es wegen einer gelungen Partnerschaft oder als glücksvollendeter Single, der einfach das Leben als Kunstform schon beherrscht. Alles kann Neid erregen, selbst dann wenn man es ebenfalls besitzt, sich aber durch einen "Konkurrenten" seiner scheinbaren Einmaligkeit beraubt fühlt.

Neidhammel, missgünstige, eifersüchtige Zeitgenossen haben einen erkennbaren Mangel an innerer Reife, wie gebildet und intellektuell sie sich auch sonst noch zu gebärden wissen. Tröstlich dabei ist, dass sie diese Charakterschwäche meist nicht unter Kontrolle haben und somit sich schnell selbst entlarven.

Das Vorhandensein von Neid hat aber auch immer eine individuelle Geschichte, die teils aus der Erziehung oder den Lebensumständen, Prägungen und Nachahmungen oder familiären Zurückweisungen und Eifersucht kommen kann. Bei anderen wiederum kommt es aber in erster Linie aus der eigenen Persönlichkeitsstruktur, die ihm sein Schicksal mitgegeben hat. Wer seinen Neid offen auslebt, macht sich keine Freunde. Oder die alten Freunde ziehen sich zurück, wenn das Maß überschritten wird. Ein Kennzeichen von Neid ist auch das Schlechtreden des Erreichten anderer Menschen, das allzu schnelle auffällige Reduzieren eines Erfolges oder einer Freude, die man feiert, indem man sofort auf noch höhere Leistungen anderer verweist. Es sind erbärmliche Reaktionen, selbst wenn sie sachlich stimmen mögen. Aber im Zwischenmenschlichen gelten noch andere Wahrheiten als allein korrekte Sachlichkeit. Lebt jemand, der um all diese Verlustgefahren der Freunde und Nahen weiß, seinen Neid sicherheitshalber nur nach innen aus, so zeigt der damit zwar schon eine gewisse Disziplin, aber es wird zum eigenen Desaster, weil der Neid sich dann nach innen durchfrisst, wenn man ihn nicht in den Griff bekommt.

Ist Neid also eine Art Krankheit? Im medizinischen Sinne gewiss nicht. Im Bereich der Psyche jedoch könnte es sich im Einzelfall zu einer solchen auswachsen und zu schweren eigenen Schädigungen führen, die traurig macht oder frustriert, einsam und missmutig. Noch weiß man zu wenig über die genauen Interaktion von Psyche und Körper in Bezug auf die eigenen Charakterschwächen. Aber es dürfte unbestritten sein, dass negative Gefühle eine ungute Wirkung haben und Garanten sind, das eigene Glück zumindest doch massiv zu dämpfen.

Will man das? Diese Frage hätten sich vor allem Menschen zu stellen, die - aus welchen Gründen auch immer - einfach von zuviel Neid getränkt sind.

— 10. Juli 2012
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