Partnerschaft und Marotten

Haben Sie den richtigen Partner? fragt Christa Schyboll

Die aktuell Glücklichen werden nun schnell bejahen. Die aber, die schon eine satte Zeit miteinander auf dem gemeinsamen Erfahrungskonto haben, werden diese Frage differenzierter betrachten wollen.

So mancher mag da bedenklich den Kopf hin und her wiegen, angesichts der kleinen oder großen Marotten, die sich im Laufe der Partnerschaft dann doch noch überraschend zeigten oder dort erst entwickelten, obschon man so sicher war, den Traumpartner gefunden zu haben.

Nun hat zwar jeder Mensch irgendwelche Spleens, aber die des Partners können exakt dann jene sein, die man als viel schlimmer empfindet als die der anderen, die man nur nachlässig nebenbei registriert. Warum viele der alltäglichen Verrücktheiten sich bei manchen Paaren aber bis zu Zwangsvorstellungen auswachsen können, liegt nicht selten an einer engen, einseitigen Betrachtung. Der Partnerfimmel steht im Hauptfokus der Aufregung und die eigenen Grillen und Flausen werden glatt übersehen oder verharmlost dargstellt.

Nicht selten gehen viele Paare heute deswegen auch in recht schneller Zeitabfolge wieder auseinander. Die durchschnittliche Verweildauer liegt mittlerweile bei der Jahresanzahl eines Hundelebens. Die ganz Mutigen und Festentschlossenen versuchen es dann mit Patchwork und gepatchtem Patchwork und stellen unter Umständen fest, dass sich zwar die äußere Art der Marotten beim nächsten oder übernächsten Partner durchaus ganz anders darstellt, aber nicht die generelle Qualität, noch weniger die Quantität. Das Grundproblem, sich den unangenehmen Eigenheiten des Partners zu stellen, bleibt fast immer.

Hat man denn einfach kein gutes Händchen für die Partnersuche? Täuscht man sich so sehr, dass selbst die mehrfache Erfahrung mit Spleens einen immer wieder neu mit Blindheit und Hoffnung zugleich schlägt? Hat das denn einfach kein Ende? Oder ist es so, dass es um ganz anderes geht? Etwas, das man noch nicht so genau betrachtet hat? Nämlich um den Lerneffekt, der schicksalhaft für jeden auf individuelle Weise ansteht und wozu Partnerschaften das ideale Übungsfeld darstellen?

Begreift man, dass man selbst mitsamt den eigenen Ticks oder kleinen neurotischen Anwandlungen letztlich mit allen Menschen in einem gigantischen sozialen und zwischenmenschlichen Lernexperiment drinsteckt, könnte man die helle Aufregung über die brutal zerquetschte Zahnpastatube, die nicht entfernten Haare aus der Dusche oder die in die Ecke entsorgte stark verschwitzte Sportbekleidung ja viel nüchterner betrachten. Man könnte sich selbst auch ein Stück weit außen vor lassen und müsste es nicht zur Wahnvorstellung auswachsen lassen, dass dies mal wieder ein gezielter Terroranschlag des Partners auf die eigenen Nerven ist angesichts der Tatsache, dass man alles zum tausendsten Male umsonst sagt. Ist man angesichts neuer Nüchternheit weniger erbost über die Marotten, dann hat man doch viel mehr Kraft zur Konsequenz, die einzig Abhilfe verspricht, wenn man sie nur lange genug durchhält. Zwei Zahnpastatuben mit striktem Berührungsverbot für die eigene wäre machbar und lustig, wie sie dann so nebeneinander im Bad stehen. Oder Schimmel mit Stockflecken in der nicht ordentlich gelüfteten Bekleidung, weil der nächste Waschmaschinengang eben noch ein paar Tage braucht, macht auch Spaß und stinkt wunderbar die Bude voll! Und die unbrauchbare Bekleidung ist – abgesehen von den ganz hartnäckigen Fällen - vermutlich auch nur einmalig teuer in der eigentlich unnötigen Neuanschaffung, aber hat bei den meisten Menschen einen prima Effekt. Umso mehr, als sie sich kräftig darüber ärgern.

Vielleicht ärgern sich manche Partner einfach zu wenig oder auf die völlig falsche, frustrierte und destruktive Art, die einfach nichts bringt. Man sollte sich mit den wirklich schlimmen Marotten, die sich zur Unerträglichkeit auswachsen, einfach auf konsequentere, konstruktive Weise so nachhaltig und stark ärgern, dass es sich wenigstens lohnt. Was sich in aller Regel nicht lohnt, sind brave Hinweise, Mahnungen, leere Drohungen oder bloßes Geschimpfe. Die reinste Zeitverschwendung.

Ich denke: Die meisten Menschen haben durchaus den richtigen Partner, auch wenn sie partout das nicht erkennen können. Richtig ist ein Partner dann, wenn er so konsequent unperfekt ist, dass man selbst nicht nur jede Menge an ihm, sondern auch an sich selbst lernen kann – was umgekehrt auch für den Partner gilt.

Damit ich aber nun nicht missverstanden werde: Ich schreibe nirgends davon, dass ein passender Partner, der ausgerechnet mit seinen Spleens tüchtig zur eigenen Erweiterung und Entwicklung beiträgt, automatisch auch der Traum aller Träume bei allen sein muss. Doch auch das gibt es manchmal!

— 24. September 2011
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