Politik

Die langweiligste Wichtigkeit der Welt?, hinterfragt Christa Schyboll

Man stelle sich vor, die Politik würde spontan abgeschafft. Dass zunächst Chaos entsteht, ist klar. Welche Ordnung sich dann nach und nach wieder heraus kristallisiert, ist offen. Recht wahrscheinlich ist aber, dass nach der Abschaffung der Politik und der Politiker, die wir uns manchmal heimlich wünschen, sie als eine der ersten Anschaffungen wohl wieder im Raume stünde.

Wir können also nicht ohne sie - sie aber auch nicht ohne uns. Was wären Politiker ohne ihr Volk, das sich brav oder schwierig regieren lässt, das ständig mault, aber zahlt, das ihnen schlechte persönliche Werte verordnet und sie dennoch immer wieder neu wählt?

Man könne meinen, es handele sich um eine Art Hassliebe zwischen dem Volk und seinen Politikern, die eine beständige Symbiose miteinander eingegangen sind und nicht mehr von einander lassen wollen. Irgendwie sehnen wir uns nacheinander und haben letztlich auch das gleiche Ziel. Dazu gehört Wohlergehen und Friede, eine ausreichende Sozialstruktur, Freiheit, Gleichheit und Solidarität, um nur einige der viel beschworenen Ideale zu nennen, in dessen Auftrag sich die Politiker knechten und beschimpfen lassen. Dass es auch um den süßen Genuss der Macht gehe oder um Geld, Einfluss, Pfründe, Beziehungen, gute Pensionen, Eitelkeiten, Fortkommen und sonstigen sonnigen Aussichten, lassen wir mal hübsch beiseite, auch wenn sich diese Gedanken immer wieder neu aufdrängen.

Im Altertum schon wurden die Wurzeln gelegt und bereits in Rom war dann die Korruption ein Thema der Gesetzgebung und anstehender Gerichtsverhandlungen. Es ging also schnell bergab, bevor es ein wenig bergauf ging mit dieser unverzichtbaren Ordnung, über die wir uns an so manchen Stellen zu Recht und beständig schwarz ärgern.

Zu Zeiten der Völkerwanderungen war Politik in erster Linie Kriegshandwerk und wurde erst später im Mittelalter wieder zu einer eher festen Institution, die wieder neue Regeln wie neue Machtzentren brauchte. Vortrefflich wusste sich die katholische Kirche ein- und mitzumischen und die Erbmonarchien zogen so langsam ihre festen Grenzen.

Ein großer Teil der heutigen Politik ist Showbusiness. Man schaue sich amerikanische und zunehmend auch europäische Wahlkampfveranstaltungen an und erinnert sich mehr und mehr an die Karnevalsumzüge am Rhein. Nur nicht ganz so lustig kommen sie daher, sondern versprechen nicht Einhaltbares, bauen Autobahnen und Brücken ins Nichts, überbieten sich mit absurden Gesetzesvorschlägen in Brüssel und Washington, Peking oder Kuala Lumpur einzig zur Freude der innerstaatlichen Revolutionäre, die für deren Abschaffung kämpfen, sie irgendwann gewinnen, um dann zu erleben, dass die politische Alternative noch ärger als zuvor geraten ist.

Politik ist Zirkus. Ein Spiel der Massen mit sich selbst. Ihre Dompteure sind ihr Geld wert. Sie sind unsympathisch und fehlbar genug, um ausreichend Wut zu entwickeln. Sie machen ihre Sache aber in aller Regel auch so, dass man sie wieder wählt. Irgendwas müssen sie also richtig machen. Vermutlich machen sie genau das, was auch diejenigen machen würden, die sie wählen. Eine Stellvertretergeschichte, die also im Showbizz der Politik abläuft und sich selbst nicht erkennt. Einen Politiker anzuschauen ist häufig so, als schaue man in sein eigenes Spiegelgesicht. Wer aber ist schon so ehrlich und schaut sich selbst gründlich und lange genug an?

— 06. August 2010
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