Probleme mit Problemen

Gedanken über mentale Ent-Sorgungen von Christa Schyboll

Probleme zu haben, ist alltäglich. Ob wir sie aber meistern, klug handhaben, aussitzen oder gar noch vergrößern ist entscheidend für unsere Lebensqualität. Sollten wir nicht auch in Problemsituationen die Fäden des Handelns in der Hand halten?

"Wenn du ein Problem hast, versuche es zu lösen. Kannst du es nicht lösen, dann mache kein Problem daraus." Meint Buddha. Ein faszinierender Rat. Aber auch ein machbarer? Ich stehe gerade vor einem unlösbaren Problem und soll es etwa nicht als Problem behandeln? Hier dürfte so manch einer bedenklich den Kopf schütteln und sich fragen, wie lebensnah eine solche Weisheit ist und ob sie am Ende etwa auf Verdrängung, Schönrederei oder Realitätsverzerrung hinaus läuft. Denn Tatsache ist doch: Wenn ich ein Problem habe, das ich mit allen mir derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln einfach nicht lösen kann, ist es deshalb ja nicht automatisch verschwunden. Ich kann es weder wegdenken, noch wegbehaupten, noch wegzaubern. Sondern in aller Regel braucht das akute Problem ja eine Antwort oder Handlung und droht sonst mit logischen Konsequenzen. Also quäle ich mich weiter damit herum.

Doch wozu eigentlich, wenn es einfach zu nichts führt, weil meine Macht und Möglichkeiten schlicht und einfach beendet sind? Diese "wozu"-Frage stellt sich der bemühte Verstand aber oftmals nicht, weil er es einfach nicht ertragen kann, den Kürzeren zu ziehen und seine Probleme partout lösen möchte. Natürlich in seinem Sinne, als Gewinner des Ganzen. Notfalls nimmt er dabei nicht nur den Kampf gegen die "ganze Welt" auf, sondern auch gegen sich selbst. Häufig verliert er, falls ihm nicht doch noch etwas Blitzgescheites vom Himmel ins Hirn fällt.

Was also ist konkret zu tun, wenn ich ein akut unlösbares Problem als Nicht-Problem im Sinne Buddhas behandeln soll? Vor allem ist zunächst die eigene innere Haltung zum Problem oder zu den Konsequenzen zu hinterfragen. Dazu gehören auch Elementarfragen, wie solche, ob gerade Lebensgefahr besteht. Das ist zumeist nicht der Fall. Der Regelfall ist ganz alltäglich. Er hat z.B. mit Termin- oder Zeitdruck zu tun. Oder es geht um Ärger im Beruf, Privatleben oder in der Nachbarschaft. Oder es geht um Krankheit, Geld oder Beziehungsfragen, die gerade mal wieder auf der persönlichen Bestsellerliste oben an stehen. Die ganz normalen Probleme des menschlichen Alltags halt. Hat man das derzeit unlösbare Problem gedanklich gut eingekreist, tut man gut daran, es nun auch emotional tief nachzufühlen. Macht es Unbehagen oder sogar schon Angst? Reagiert der Körper noch verhalten oder bereits heftig? Welche Ängste sind es genau, die mit dem Problem einher gehen? Warum sind sie so schwer zu überwinden? Mangelt es am Ende auch an Mut, warum das Problem so unlösbar erscheint? Oder ist man aus ganz anderen Gründen so völlig chancenlos?

Auf vermintem Terrain

Die nächste Realisation wäre die Frage des inneren Widerstandes, die zu klären ist. Dieser ist so gut wie immer vorhanden, wenn ein Problem auftritt. Wir sind im Widerstand gegen etwas oder jemanden, weshalb unter anderem auch das Problem so schwer auf uns lastet. Dafür mag es im Einzelfall gute Gründe geben. Ungerechtigkeit zum Beispiel, die uns vielleicht widerfahren ist. Es ist schwer auszuhalten, für etwas beschuldigt zu werden, was man nicht verursacht hat. Manchmal sind wir Lügen und Verleumdungen ausgesetzt. Jede Halbwahrheit, Halb- oder Desinformation, jede Form von Verzerrung, manipulierter Suggestion ist schädlich. Oder auch jeder Klatsch und Tratsch mit Dritten darüber, mit denen man trickreich mentale Seilschaften aufbauen möchte, um nicht ganz so einsam im eigenen Problem zu baden, verschärft atmosphärisch die eh schon schwierige Situation. Was immer hinter unserem Problem steckt: Wir sind auf vermintem Gebiet in einer ganz persönlichen Kriegszone. Da wird bereits heiß geschossen und wir müssen sehen, wie wir aus diesem Film herauskommen. Und nicht immer ist ein frisches, akutes Problem auch gleichzeitig neu, sondern manchmal sogar uralt, ohne dass wir es direkt erkennen.

Scheitern wir mit allen Bemühungen normaler Problemlösungen, so bleibt oftmals nur ein letzter Weg. Er kann zum Königsweg werden, wenn man ihn konsequent geht und fest innerlich dazu steht. Das Zauberwort heißt: Akzeptanz. Eine innere Akzeptanz dessen, was jetzt ist. Sobald wir einen Zustand als nun gegeben akzeptieren, weil uns die Macht zur Veränderung fehlt, sind wir in aller Regel das Problem los. Akzeptieren meint jedoch in diesem Fall nicht ein resigniertes Ja-Sagen, weil ich selbst in einer Ohnmacht bin, sondern anerkennen, dass diese Ohnmacht für den Augenblick zu meinem offenbar notwendigen Erfahrungsspektrum gehört. Ob es mir passt oder nicht.

Von der Aufhebung des Widerstandes

Kein weiterer Widerstand ist mehr nötig oder auch sinnvoll, wenn alles schon im Guten versucht wurde. Weiterer Widerstand oder Kampf gegen etwas oder jemanden verschärft die eh schon schwierige Situation und lässt uns länger und heftiger darunter leiden, ohne dass sie dadurch befriedet würde. Probleme sind immer auch Nichtakzeptanz. Bei dieser Form von Akzeptanz geht es jedoch nicht um die Frage von Recht und Gerechtigkeit nach menschlichem Ermessen. Auch nicht von Zustimmung zum Falschen und Ungewollten, sondern um innere Hingabe an das, was jetzt ist. Schafft man das, ist man sein Problem schnell los. Man ent-sorgt der Sorgen und des Schmerzes sich im besten Sinne des Wortes.

Das Ego jedoch wird rebellieren. Es wehrt sich innerlich heftig und ist empört, wenn es eine Ungerechtigkeit akzeptieren soll. Das Ego lebt vom Kampf, der im Sieg zu enden hat. Sonst fühlt es sich tödlich verletzt. Damit nährt es den vorhandenen Schmerz zusätzlich, der bereits wuchert. Begreift man aber, dass das äußere Problem nur eine Bühne darstellt, Werkzeug ist und zudem eine aktuelle Lernchance für ganz andere Fähigkeiten, stellt sich eine innere Wandlung ein. Eine Einsicht, die tiefer geht, als das äußere Problem ist. Hier kann neue Souveränität geboren werden. Man wird ruhiger, klarer im Denken, Fühlen und Handeln. Man wird auch freier. Man erkennt vielleicht sogar eine schicksalhafte Verstrickung, selbst wenn man tatsächlich unschuldig ist. Gerade für Menschen, die mutige Kämpfernaturen sind, geht es manchmal genau um den Nicht-Kampf, der zu erlernen ist. Um das innere friedliche Aikido, das andere Möglichkeiten findet als den Kampf gegen Feinde und Unrecht.

Sind in einer Problemsituation alle Möglichkeiten ausgelotet, ist alles Notwendige offen gesagt worden ist, kein Kompromiss mehr möglich ist, gewinnt derjenige, der die innere Akzeptanz am schnellsten in sich selbst erreicht. Er ist damit sein Problem im Innern los, weil er dem äußeren Problem seine Macht aberkennt. Und damit auch dem Gegner, der ihn drangsaliert. Er verlässt dann schlicht und einfach die Situation, die er eh nicht mehr ändern kann. Recht hin, Unrecht her. Jetzt kann er selbst Frieden finden.

— 21. Oktober 2013
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