Zwischenmenschliche Probleme

… und die Sache mit den Konsequenzen beim offenen Wort. Von Christa Schyboll

Ist man Mensch, hat man Probleme. Ist man ein sozial stark eingebundener Mensch, ist die Chance auf Problemhäufung um einiges größer.

Die Welt wird in der Regel für uns alle umso komplizierter, je mehr und intensiver wir uns auf unsere Mitmenschen einlassen. Lassen wir sie ganz nah an uns heran oder teilen mit ihnen unser Leben, dann sind Probleme vorprogrammiert.

Probleme sind Chancen, sagt man. Das stimmt nicht nur, sondern sollte sich fest im Vordergrund eines jeden Bewusstseins verankern. Und Chancen sind damit auch all jene Menschen, die uns Probleme gerade durch und wegen ihrer Nähe zu uns machen. Es stimmt aber auch, dass so manche Probleme zu bösen Fallen werden können oder sich zu einer persönlichen Katastrophe auswachsen können. Hat sich erst einmal ein Problemgebirge aufgetürmt, verlieren wir den Überblick, fühlen uns machtlos und müssen uns auch die Vertrauensfrage stellen.

Warum gelingt es uns Menschen aber so oft nicht, Probleme direkt im Ansatz zu erkennen und leicht zu lösen? Zum Beispiel durch ein offenes Wort zur rechten Zeit? Doch wann ist die rechte Zeit? Meist ist sie bereits verpasst, weil man den günstigen Zeitpunkt als solchen oft erst im Nachhinein klar erkennt. Es braucht eine große Wachheit, die Zeitqualität so zu ergreifen, dass sie auch zu einer persönlichen Handlungsqualität wird. Und was ist ein "offenes Wort". Wir erleben doch ständig, dass es bei "offenen Worten" selbst im Falle einer berechtigten Kritik und einer im Ton gut vorgetragenen Bitte oder Forderung ständig zu neuen Missverständnissen oder gar Zerwürfnissen unter den Menschen kommt. Selbst dann, wenn der andere eigentlich sein Gesicht dabei zu wahren weiß - aber er selbst es unter dem Druck spontaner Ereignisse, einer Scham oder Verdrängung es selbst anders empfindet. Man hat ihn eben "erwischt", was ihm unerträglich ist, trotz einer guten Form, es ihm nahe zu bringen.

Probleme im Sachlichen sind oft leicht zu lösen. Aber die persönlichen Probleme, die Menschen sehr oft miteinander haben, sind so ungreifbar und gleichzeitig schmerzhaft spürbar. Sie sind oftmals nicht beweisbar und leben dennoch in einer Intensität, die die Luft zum Schneiden dick macht. Sie zeigen eine Wirklichkeit, die der andere aber als Wirklichkeit leugnet oder auch ganz anders empfindet. Zwischenmenschliche Probleme brauchen häufig komplizierte Formeln zur allseitig befriedigenden Lösung. Es sei denn, man ist frei von jeglichem Erfolgsdruck, man ist befreit von jeder Kritik und nimmt alle Konsequenzen mutig in Kauf. Auch den Bruch, den Ärger, die Nachteile, die daraus entstehen können. Dann ist die Lösung einseitig und einfach: Ehrlichkeit! Jetzt, direkt, umfassend! Ohne Anspruch, vom anderen auch dabei verstanden zu werden! Ein offenes Wort ohne ein Lauern auf Zeitqualität! Friss oder stirb!

Ist man an diesem Punkt angelangt, gibt es keine Probleme mehr. Es gibt dann nur noch die Konsequenzen, die zu tragen sind.

— 24. Juli 2013
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