Regierung

Antrag auf Verschiebung der Bundestagswahl. Von Christa Schyboll

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, verehrte Abgeordnete des Deutschen Parlaments, ich bedanke mich recht herzlich, dass Sie mich regieren.

Ihnen habe ich alles zu verdanken, was ich für meine existentiellen Lebensbedingungen brauche. Ohne Sie wäre ich – quasi – nichts! Also nichts im Sinne eines Bürgers. Vielleicht wäre ich ja noch ein… ja, ein dahin siechendes Individuum, jedoch nichts, was auch mit Bildung, Würde und Wohlstand in Einklang zu bringen ist.

Und ich bekenne: Ich kann mich nicht regieren! Deshalb brauche ich sie so dringend. Und ich kann auch nicht meine Familie, meine Nachbarschaft, geschweige unser Dorf regieren. Ich versage bereits an unserer renitenten Katze. Ach, was sage ich da! Ich versage sogar schon an meinem Ficus benjamini, der als pflegeleicht gilt und weder mault noch miaut.

Das alles sind schon Eingangsgründe, um Ihnen für Ihr politisches Wirken zu danken. Verschärft jedoch wird das durch das oberste Gericht der Europäischen Union, welches doch in einem Rechtsverfahren bestätigt hat, was ich oben für mich persönlich schreibe: Die Bevölkerung Deutschlands ist nicht fähig sich selber zu regieren! Ich bin also nicht allein mit meinem Unvermögen, sondern teile es mit den Dumpfbacken meines Landes.

Warum aber können wir das nicht mehr? Wir blicken nicht mehr durch! Wir verstehen die komplizierte Welt nicht mehr. Wir begreifen es einfach nicht, warum die Südländer alle so stinkfaul geworden sind. Es geht nicht in unseren Schädel, warum die Finnen so viel saufen. Es ist uns ein Rätsel geworden, warum die Portugiesen doch nur noch apathisch in der Sonne liegen, während die Rumänen die neuesten kriminellen Statistiken mit Wunderzahlen zieren. Keiner von uns begreift, warum einer hyperkinetischen Generation von Kindern jetzt auch noch Computer im Kindergarten angeschafft werden müssen. Und nur die Klügsten von uns ahnen leise, dass wohl es der Förderung des bundesweiten Autismus dient, die was besonders Wertvolles offenbar sein muss. Gewiss zum Wohle des Volkes!

Ich fasse mich kurz. Sie verstehen schon anhand dieser kleinen Beispiele, dass jede Form von Selbstregierung völlig undenkbar geworden ist. Deshalb bitte ich sie, mich von der Wahl zu entbinden. Ich vertraue Ihnen allen blind. Bleiben Sie so, wie sie sind. Daran bin ich jetzt gewohnt. Ich bin zu alt, um mich nochmals umzustellen. Ich möchte nicht erleben mögen, was es für mich am Ende heißt, wenn es keine Überschuldung mehr gibt, wenn mir das Finanzamt einmal etwas zurück überweist. Ich habe schon ein riesiges Problem damit, dass ich jetzt beim Arzt keinen Quartalszehner mehr zahlen darf. Wohin nur mit dem ganzen Geld! Geben Sie es zu, das war Ihr Härtetest, wie weit sie politisch mit uns allen gehen können.

Ich gebe zu: Sie haben mich nicht nur leicht verwirrt. Nein, sie haben mich damit restlos überfordert. Bitte lassen Sie solche Geschenke in Zukunft, damit ich nicht auf falsche Ideen komme. Bitte bleiben Sie an der Macht. Und meine Frage an Sie lautet: Können wir nicht die Bundestagswahl um ein paar Jährchen verschieben? Ich finde es gerade sehr gemütlich, wie es so ist!

— 09. Februar 2013
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