Schadenfreude – Ein kleiner Leckerbissen für die Seele?

Fragen nach einer merkwürdigen Lust der Spezies Mensch von Christa Schyboll

Kaum ein Zeitgenosse, der sie nicht kennt – und vielleicht sogar heimlich ein wenig liebt: Die Schadenfreude. Jenes komische Ding, das einen merkwürdigen Doppelcharakter hat, der aus Schaden oder Unglück einerseits wie auch der Freude andererseits besteht. Sozusagen eine eigentlich paradoxe Situation, die zudem auch noch oftmals paradox gefühlt wird.

Zweifach und diametral für die tiefer Hinfühlenden, die sich tatsächlich über das unschöne Ereignis freuen, aber eben nicht nur, weil der Betroffene gleichzeitig ihnen auch ein wenig leid tut. Die schlichteren Gemüter bleiben oftmals beim stillen feixen und lachen – und die ganz schlichten verstecken es nicht einmal, sondern leben es laut und voll aus, damit der Unglücksrabe bloß nicht zu kurz kommt! Die Mittel dazu sind Hohn, Spott, Ironie, Auslachen oder Sarkasmus, der zu allem Pech dann auch noch ertragen werden muss. Als ob es nicht so schon schlimm genug wäre!

Wo aber nur kommt sie her, diese Schadenfreude? Sind wir eine so fiese Spezies, dass das Schlechte selbst beim Unglück sich auch schon wieder Bahn brechen muss? Oder ist es vielleicht eine Art Ventil, das zum Beispiel auch mit einem Gerechtigkeitsempfinden zu tun hat? Vermutlich hat sie in diesem Bereich ihren stärksten Nährboden. Ob dieses Gerechtigkeitsempfinden dann aber tatsächlich wieder gerecht oder ungerecht ist, lässt sich - - wenn überhaupt – nur am Einzelfall klären. Oftmals spielt die Schadenfreude auch eine Rolle bei der Bestrafung von Normverstößen. Wenn man sich selbst schon an jede unsinnige Ordnung hält, hat der andere diesen Unsinn eben auch mit zumachen. Weigert er sich und wird dann bestraft: Tja, selbst schuld!

Die Gefühlspalette, warum bei dem einen Menschen in der gleichen Situation eine Schadenfreude entsteht, bei dem anderen aber nicht, ist absolut individuell, weil sie auf sehr vielen Füßen ruht, die sowohl sehr persönlicher Natur sein können, wie aber auch mehr aus einem kulturellen Prägeverhalten kommen können. Die Beziehungen untereinander spielen oftmals eine zentrale Rolle, ob und wie Schadenfreude geäußert wird.

Die Schadenfreude ist in manchen Kulturen geächtet. Andere wiederum haben nicht einmal ein Wort für sie entwickelt. Dennoch: Die Übernahme dieses deutschen Begriffes in andere Sprachen (z.B. Englischen, Französischen, Italienischen, Spanischen, Portugiesischen und Polnischen) zeigt sehr klar, dass den anderen Menschen dieses zwiespältige Gefühl von bedenklicher Freude durchaus sehr bekannt sein muss – sonst hätten sie es wohl nicht übernommen.

— 22. November 2009
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