Schicksal

Ist es vermeidbar oder unausweichlich? fragt Christa Schyboll

Es begegnet jedem Menschen wieder und wieder im Leben. Ihm zu entfliehen ist nicht möglich. Dabei zeigt es sich von guten oder gefährlichen Seiten in einem für uns unergründlichen Mix. Es kann stärkend oder belastend sein, Leben spendend oder tödlich. Keiner weiß, wann es kommt.

Nicht immer ist klar, was es von uns will. Wie es oft endet, steht in den Sternen. Schlecht Begonnenes kann ebenso schlecht oder gut enden wie umgekehrt eine glückliche Fügung. Es lässt uns hoffen und bangen und so manchen Ungläubigen Stoßgebete in den Orbit senden, so es seine Macht demonstriert und uns in die Ohnmacht entlässt. Das Schicksal.

Tritt es auf die Bühne des Lebens, so passiert immer etwas Besonderes. Unübersehbar stark und zur Zäsur geeignet. Es kommt den meisten Menschen so vor, als haben da Mächte ihre Hände im Spiel, die Fäden unseres Geschickes auf raffinierte Weise zu ziehen wissen. Als seien wir Wachs in ihren Fingern und völlig hilflos einer Situation ausgeliefert, von der wir oftmals nicht einmal wissen, wie wir hinein geraten sind.

Das Schicksal wird nicht selten mit Gott, Engeln oder einer anderweitigen höheren Macht in Zusammenhang gebracht. Sie kann personifiziert oder unpersönlich sein. Andere Menschen wiederum bevorzugen in ihrer Anschauung darüber den Eigenanteil am Geschehen und sind der Überzeugung, dass deshalb das Schicksal auch durch uns selbst veränderbar ist.

Diese Haltung birgt zumindest mehr Handlungsfreiheit und kreative Möglichkeiten, mit so genannten Schicksalsschlägen intelligent oder phantasievoll umzugehen. Es degradiert uns nicht ins Marionettendasein, sondern lässt uns die Möglichkeit aktiver Teilhabe an dem, was mit uns geschieht. Inwieweit wir oft alleine Verursacher sind, ist nur im Einzelfall zu betrachten. Zu viele Bedingungen kreuzen sich in den dunklen Gängen der eigenen Biografie, deren verknüpfte Fäden wir nicht mehr wirklich zu entwirren wissen oder bereits komplett vergessen haben.

Wer sein Schicksal anzunehmen vermag, ohne sich selbst und seine Möglichkeiten aufzugeben, hat wohl die größte Chance auf Wendung in einer unliebsamen, gar gefährlichen Situation. Er hat nämlich die innere Akzeptanz zum einen und muss keine unnötigen Kräfte des Widerstandes verschleudern. Diesen Kräftegewinn durch kluge Ressourcenhandhabung kann er dann aber in die Hoffnung stecken und in die Zuversicht. Diese wiederum bewirken im Schicksalszusammenhang Ideenreichtum, weil sie sich nicht abgeschnitten wissen von potentiellen Möglichkeiten und Handlungsbereitschaft zeigen.

Ob und welche höheren Mächte beim Schicksal welche Rolle spielen, ist letztlich nicht zu ergründen oder zu beweisen. Sie anzunehmen bleibt eine Glaubenssache, die dann gut und stärkend ist, wenn man innerhalb dieses Glaubenssystems kooperiert und Verantwortung, Akzeptanz und Bereitschaft zeigt. Schlecht ist sie, wenn man sich verdammt fühlt, alles nur dumpf geschehen zu lassen, sich ängstlich verkriecht und keine Hoffnung auf positive Änderung hegt. Das Geschehenlassen hier meint jedoch nicht jenes letzte Vertrauen eines weisen Menschen, der die Richtigkeit seiner Situation klar im Blick hat, sondern das Geschehenlassen der Fatalisten und Hadernden, die sich selbst allzu früh ohne jede Hoffnung aufgegeben haben.

Der Umgang mit dem Schicksal wird so selbst zum Schicksal, dass sich auf der Bühne des Lebens in immer wieder neue Gewänder kleidet, in neuen Chancen an uns heran tritt, damit wir verstehen sollen, dass auch hier das Leben nichts als eine intelligente Kooperation seiner Beteiligten ist.

— 07. August 2010
 Top