Schicksalswege

Marionette kontra Freiheit?, hinterfragt Christa Schyboll

Manche Menschen stellen die Frage: Glaubst du an Schicksal? Und bejahen oder verneinen dann schnell diese Frage. Schicksal, was ist das denn?

Ist es nicht letzten Endes das, was uns passiert? Aber daran muss man ja nicht glauben, sondern man erlebt es doch! Oder meint Schicksal etwas Höheres, eine höhere Macht, die uns wie an Marionettenfäden durchs Leben geleitet? Wo wir absolut chancenlos sind, weil eine Autorität, die weit über uns steht, mit uns anstellt, was sie will? Lässt sie uns glücklich sein oder verunglücken, arm oder reich, erfolgreich sein oder immer wieder neu dumm aus der Wäsche schauen? So ganz nach dem Beliebigkeitsprinzip? Grausam gleichgültig am Ende?

Ein solches Schicksal wäre ein schrecklich würdeloses Unterfangen und würde uns quasi als Individuen total entmündigen. Egal, wie dieses Höhere dann auch benannt würde. Oder ist Schicksal noch etwas ganz anderes? Nämlich die Summe individueller Bedingungen? Eine, die in ihren Einzelteilen oft merkwürdige Konstellationen eingeht, deren Urgründe auch unserer Wissenschaft bis heute verborgen sind? Zugleich aber auch unser Wirken daran mit Tun und Unterlassen zum günstigen oder ungünstigen Zeitpunkt eben genau jene Bilanz dann zeigt, die deshalb so "schicksalhaft" anmutet, weil wir den Weg dieser Einzelaktionen nicht mehr richtig durchschauen oder nachvollziehen können?

Man nehme einen reichen Yuppie, cool, selbstbewusst reich an Gütern und vielleicht dennoch todunglücklich, weil diese oder jene Last ihm das Leben zur Hölle macht. Man nehme den Schauspieler, der seine Erfolge feiert, alles hat und dann zum Alkoholiker wird, der ohne Droge die scheinbar enorme Attraktivität seines Lebensstils einfach nicht mehr ertragen kann. Oder den armen Schlucker, der sein letztes Geld ins Lotto steckte und mit einem Minieinsatz zum vielfachen Millionär wird, manch einer nur für sehr kurze Zeit. Oder die Hausfrau, die lebenslang nichts anderes kennt außer ihrem Hausfrauendasein, und in diesem sich entweder zu Tode langweilt, unterfordert ist, überfordert ist oder einfach nur glücklich.

Endlose Beispiele von persönlichem Schicksal mit den Querverbindungen zu Glück und Unglück gleichermaßen - oftmals auch beiden im Wechsel - könnten angeführt werden und sagen nur eines aus: Kein Schicksal ist mit dem anderen tatsächlich vergleichbar. Jedes ist so spezifisch einzigartig, wenn man nur tief genug die Unterschiede betrachtet, dass man atemlos werden kann, angesichts der Fülle, wie Schicksal "so spielen kann".

Und schaut man aber genauer hin, so ergeben sich eine Unmenge von Kriterien, wie wir zu welchen Zeiten unser Schicksal selbst in die Hand nahmen, wie wir es veränderten und ummodellierten und dabei die Erfahrung machten, dass Schicksal immer eine Kombination von Gegebenem wie aber auch von freiem Entschluss ist, ins Gegebene selbst einzugreifen.

Marionetten sind wir also keine. Fatalismus ist nicht angesagt. Wohl aber ein genaues Hinschauen auf den eigenen roten Faden im Leben, der uns letztlich fast alles über unser eigenes Schicksal aussagt, wenn wir nur ehrlich und tief genug hinschauen.

— 11. April 2012
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