Schönheit

Was ist schön?, fragt Christa Schyboll

"Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters", sagt ein Sprichwort. Aber jedes Auge betrachtet anders. Vor allem dann, wenn der Begriff der Schönheit von dem der Attraktivität unterschieden wird, was allerdings dann nicht mehr allein eine Frage der Optik ist.

Schönheit kann schmerzen. Dass sie auch süchtig machen kann, zeigen uns die tragischen Liebesgeschichten der Menschheit. Aber selbst so starke Gefühle wie Trauer oder Hass kann Schönheit auslösen und bis hin zu Mord oder Krieg führen. Man denke nur an Troja. Die Schönheit anderer Menschen kann aber auch das Bewusstsein des eigenen Mangels daran enorm verstärken und zu Minderwertigkeitsgefühlen führen. Sich mit Schönheit zu umgeben, kann gefährliche Konfrontation oder Konkurrenz bedeuten, wie aber auch Reichtum und Glück. Doch nicht nur Lebewesen und Gegenstände können als schön empfunden werden, sondern auch Ereignisse, die einen tief in der eigenen Seele berühren.

Ist aber Schönheit z.B. bei Menschen nur dort vorhanden, wo gleichzeitig auch Makellosigkeit herrscht? Wo die Symmetrie perfekt ist und sich nicht einmal eine winzige Spur einer kleinen Missbildung eingeschlichen hat? Oder empfinden wir vor allem das als schön, was uns auch attraktiv und begehrenswert erscheint? Wo zu einem angenehmen Äußeren, das keinesfalls so ganz perfekt sein muss, aber jene unnachahmliche Lebendigkeit, Vitalität und Lebensfreude sprudelt, die äußerst reizvoll, fesselnd und verführerisch auf uns wirkt? Die uns belebt und befeuert und schon beim bloßen Hinschauen lockt und verführt? Verändert sich das Normale ins Schöne, wenn beispielsweise ein kluger Humor im rechten Augenblick dann das Sahnehäubchen gibt? Oder wenn eine Weisheit durch den anderen Menschen schimmert, die kraftvoll solch innere Schönheit offenbart, die das Äußere gleich mit überstrahlt und dominiert?

Bei einer Partnerwahl geben manchmal Nuancen den Ausschlag. Hier wird die Schönheit zum relativen Faktor, wenn die Charakter und Wesenseigenschaften erst einmal gut bekannt und durchleuchtet sind. Sie entscheiden viel mehr noch über das dauerhafte Glück eines Paares als allein die äußere Schönheit eines Partners.

Natürlich besticht die äußere Schönheit zunächst das Auge des Betrachters. Es sind Bruchteile von Sekunden, in denen wir wissen, ob uns der andere gefällt oder nicht… und auch wie sehr! Unsere Optik steht an der Startrampe. Je feiner der Mensch jedoch justiert und gereift ist, umso mehr spielen die anderen Sinne auch eine entscheidende Rolle und melden sich früher oder später lautstark zu Wort. Das Gehör zum Beispiel. Passt die Stimme des auserwählten Partners so zur eigenen, dass sich keine krassen Dissonanzen ergeben? Und vor allem, was spricht diese Stimme. Was ist ihr Inhalt, was ist ihr Geist, aus dem sie spricht. Hebt jemand zu Sprechen an, relativiert sich in so manchen Fällen schnell wieder jegliche äußere Attraktivität in die eine oder andere Richtung. Unser Tast- und unser Geschmackssinn, unser Geruchssinn und andere innere Sinne sprechen uns an, wenn wir Schönheit erblicken. Vor allem aber unser Herz mit seiner feinen Stimme, das sich letztlich niemals allein von der Optik überrumpeln lässt.

Das Auge mag die erste Instanz bei der Bewertung von Schönheit sein. Es ist zum Glück in der Regel jedoch nicht die einzige und letzte.

— 08. August 2013
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