Ist Schweigen Gold oder Unvermögen?

Gedanken von Christa Schyboll

Die Reihe der Schweigetypen ist ebenso lang, wie die Reihe derer, die unentwegt sprechen. Jeder hat dabei innerhalb seines Typus sehr verschiedene Gründe zu schweigen oder zu sprechen. Ein paar Gedanken hier speziell zu den Schweigenden…

Schweigende können Menschen sein, die schlicht und einfach nichts zu sagen haben. Oder welche, die schon etwas zu sagen hätten, wenn sie denn wüssten, wie! Die Worte fehlen oder der Mut… oder die Situation ist ihnen so schwer, dass das Schweigen zum Zwangsakt wird, obschon soviel in ihnen lebt, was gesagt werden möchte. Schweigen ist also durchweg keinesfalls ein kommunikativer Akt, bei dem nicht gesprochen wird – aber er kann es natürlich auch sein. Das wiederum ist dann eine der schwierigsten Formen der Kommunikation, die schon zu einer Kunst erhoben ist. Vielleicht müsste man hier aber auch den Unterschied zwischen Schweigen und Verstummen näher ziehen, der auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, sondern im Gegenteil die genaue Kenntnis der betreffenden Person, ihre Gründe oder Problematik kennen muss.

Dort, wo aber Schweigen zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit führt, wo es ein bewusster Akt höchster Konzentration wird, wird es zudem wieder zu einer geradezu lebendigen Kommunikation dann, wenn die im Raum miteinander Schweigenden durch ein inneres Verständnis miteinander eng verbunden sind. Dann wissen Sie in einer Weise umeinander, die mehr als Worte sagt.

Umgekehrt ist Schweigen als Zwangsmaßnahme – man denke an Isolationshaft, an Folter oder an andere schicksalhafte Umstände in besonderen Unglücksfällen – eine schwerwiegende Erfahrung, die bis in den Wahnsinn steuern kann, da der Mensch von Natur aus auf seine mitmenschliche Umwelt angewiesen ist, um eben auch sozial zu überleben.

Betrachtet man die Möglichkeiten eines Schweigeeinsatzes, so kommen gleich noch eine Unzahl von Möglichkeiten in Betracht, wie Schweigen sinnvoll eingesetzt werden kann, benutzt wird, korrumpiert wird oder auch segensreich angewendet wird. Man hat sich an bestimmten Orten schweigend zu verhalten, wo Handlungen durchgeführt werden, die der Ruhe bedürfen. Sei sie religiöser oder künstlerischer Art – beispielsweise in einem Konzertsaal oder einer kirchlichen Weihehandlung. Auch kann Schweigen als Denkpause genutzt werden oder als raffiniertes rhetorisches Mittel, dass man gezielt einsetzt, um die Aufmerksamkeit der Hörer zu erhöhen. In diesem Fall schweigt dann nicht das Publikum – sondern der Redner und verblüfft damit auf eine Weise, die Wirkung zeigt.

Nimmt man noch die Bereiche des Schweigens aus Dialogverweigerung – wer kennt es nicht aus zwischenmenschlichen Beziehungen! – oder das Schweigen vor Gericht, um sich selbst oder andere nicht zu belasten, das Schweigen als Konsensbilder oder als stilles Gedenken am Grab eines lieben Menschen, so kann man bei den Gedanken über das Schweigen nur darüber Staunen, wie beredt und vielfältig diese Art von Stille ist.

— 16. November 2009
 Top