Frühjahrsputz

Wie radikal gehen Sie denn innen und außen heran?, hinterfragt Christa Schyboll

Mich drängt noch nichts zum Außenputz. Nötig wäre es schon. Aber ich schließe fest meine Augen zu und schaue lieber im Moment stur auf meinen PC. Da ist alles rein.

Meine Fenster jedoch sprechen eine andere Sprache. Nicht zu sprechen von den Ecken, die man eigentlich nicht so direkt sieht. Noch ein wenig wegschauen im Moment ist für mich Nerven und Zeit schonender. Dass ich ziemlich bald ran muss, schwebt jedoch als Damoklesschwert über meinem Frühjahrsschicksal.

Aber wenn es nur das wäre! Es gibt ja auch noch den Innenputz. Also den da ganz drinnen in einem selbst. Keine Darmreinigung zur Fastenzeit, sondern Seelenwäsche. Manche nennen es auch innere Einkehr, Überprüfung der Inneren Instanz oder religiös orientierte Menschen nennen es Beichte. Ob es dafür einen Priester braucht und einen Beichtstuhl ist weniger interessant als die Frage, ob der Akt an sich und in sich sauber und konsequent hin und wieder vollzogen wird.

Viele Menschen kennen das vielleicht noch nicht. Nicht nur, weil sie keine religiösen Wurzeln haben, sondern auch weil ihnen niemand jemals zeigte, wie schön und wichtig so ein Innenputz sein kann und wie gut man sich fühlt, wenn man ihn hinter sich hat. Das Dazu-Aufraffen braucht vermutlich dabei mehr Kraft, als den häuslichen Außenschmutz wegzumachen. Und wie in der Wohnung scheint auf den ersten Blick im eigenen Innen doch alles noch recht passabel. Ist doch alles halbwegs sauber! Habe keinen umgebracht! Habe die Nachbarn nicht bestohlen und keinen Bundespräsidenten geohrfeigt. Alles paletti, die Seele so rein wie der frisch gesaugte Teppich.

Ne, ne, damit sind die versteckten Ecken gemeint. Die, an die man sonst gar nicht so rangeht. Die, die auch keiner so direkt sieht, wo man so schön was vorstellen oder verheimlichen kann. Zum Beispiel leise und geheime Gedanken von Neid, Eifersucht oder Missgunst. Wie oft beschleichen sie den einen oder anderen? Und wie oft werden dann im Spezialfall starke Emotionen daraus, die die nächsten Menschen, Freunde oder Kollegen betreffen? Und wie neigt jemand dazu, daraus einen schnellen eigenen Vorteil zu schlagen oder sonst eine Finesse zu überlegen, die wie Rache oder Vergeltung klingt?

Da muss nicht einmal eine Untat passiert sein. Das alles kann zwischen Bauch, Herz und Kopf blitzschnell gedanklich oder gefühlt abgehandelt werden - bevor es in die Handlung rutscht. Hier könnte ausgefegt werden. Leise und für sich allein. Vielleicht aber auch in einem längst überfälligen Gespräch mit einem Betroffenen. Das wäre eine Art innerer Frühjahrsputz, der unangenehmen Altkram entsorgt, Platz schafft für neue Zuwendung, Freundschaft und Vertrauen.

Aber leicht ist dieser Schritt nicht. Doch befreiend und schön, wenn man ihn wieder einmal geschafft hat.

— 01. April 2012
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