Oberflächlichensurfer

Oder auch Tiefseetaucher? fragt Christa Schyboll

Der Mensch ist kein Seeungeheuer, das nur in der Tiefe haust. Übersetzt meine ich damit, dass wir nicht ständig und alle und immer in den tiefsten Stellen unseres inneren Ozeans gründeln, sondern hin und wieder auch an die Oberfläche müssen, um Luft zu schnappen, um Atemkraft zu sammeln, um dann wieder mit frisch gefüllten Lungen nach "unten" zu gehen…

Unten meint die Nichträumlichkeit der eigenen Seele oder des eigenen Geistes… Dort, wo niemand sonst hinkommt, sondern immer nur wir selbst… eben jene tiefsten Schichten der Gefühls- und Gedankenwelt, die so groß ist, dass wir oft keinen Namen für sie haben. Eine Art inneres Tiefseetauchen, ohne jedoch jemals auf dem Grund anzukommen. Und was suchen wir da? Letztlich wohl das Geheimnis des Seins, unseres eigenen Urgrundes und all der offenen Fragen, für die es keine allgemeingültigen letzten Antworten zu geben scheint, sondern die nur von jedem selbst errungen werden können.

In dieser Tiefe, die auch durchaus eine beachtliche Höhe haben kann, so man eine andere Metapher zugrunde legt, sind wir allein. Keiner, der uns folgen kann, da jeder seine andere, ureigene Tiefe hat, die nur für eine individuelle Schrittfolge geeignet ist.

Hier lässt man all das zurück, was an der Oberfläche des Seins normal ist. Das Flüchtige und Kurze, das Nichtintensive ohne jedes Interesse für geistige Werte. Die Flachheit verschwindet ebenfalls wie die Flatterhaftigkeit und wird durch mehr und mehr Achtsamkeit ersetzt werden müssen, wenn man diese Urgründe aufsucht. Trivial scheint dann das zu sein, was den Alltag ausmacht. Doch das ist gewiss ein Trugschluss. Denn genau in diesem Alltag ist diese Tiefe ja zu finden. Es braucht keine äußeren Extreme, um die inneren Extreme anzusteuern. Es braucht aber durchaus den Mut, sich mit sich selbst zu konfrontieren. Sich erbarmungslos klar anzuschauen, wie weit der eigene Schlendrian Unordnung in das eigene System hat kommen lassen, weil Leichtfertigkeit und zuviel der Oberflächlichkeit die Schönheit der Tiefe haben nach und nach vergessen lassen.

Besonnenheit ist angesagt, wenn man solche Wege geht, die überall und jederzeit zu gehen sind und keine Sonderbedingungen im Außen brauchen. Was sie brauchen, ist die Sehnsucht nach Entwicklung, die Sehnsucht danach, tiefer im Geistigen zu wurzeln und mit Hilfe der Seele zu diesen Wurzeln zurückzufinden. Das geht beim Zwiebelschneiden, beim Holzhacken oder beim Schreiben solcher Zeilen… Dann ist Tiefe in der scheinbaren Oberfläche, die sich kräuselt und ihre Kreise zieht, weil ein neuer Gedanke in seine eigene Tiefe sprang.

— 25. Juli 2011
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