Selbstgespräche

Warum sprechen wir mit uns selbst?, hinterfragt Christa Schyboll

Mir ist nicht bekannt, ob es Menschen gibt, die keine Selbstgespräche führen. Ich kenne jedenfalls niemanden, der das nicht tut. Nicht jeder tut es jedoch auch laut, hörbar und damit für andere gut vernehmlich.

Die meisten führen diese inneren Zwiegespräche rein gedanklich und stören dabei nicht die Unterhaltung anderer im Raum. Selbstgespräche, das sei hier angemerkt, können sowohl gesund, wie aber auch eine psychische Störung sein.

Warum wir mit uns selbst sprechen, obschon es Milliarden lebendige Alternativen zum Gespräch auf der Erde gibt, ist noch nicht so recht entschlüsselt. Mutmaßungen darüber sind jedoch recht interessant. Es beginnt mit den kleinen Flüchen, wie „Mist“, wenn uns etwas schief gelaufen ist. Wir sprechen es laut aus, obschon es außer uns selbst vielleicht niemand hört. Dazu spicken wir es noch voller Emotion, damit es auch tüchtig stark zum Ausdruck kommt. Doch für wen? Für die Goldfische im Glas? An Ende doch für uns selbst? Aber warum? Weil unsere Emotion dann befriedigter ist?

In anderen Fällen braucht es sogar ganze Sätze, wie zum Beispiel „Oje, das hätte ich fast vergessen!“. Diese werden nicht selten sogar noch mit einer deutlichen Geste verstärkt. Man patscht sich an die Stirn und gibt sich eine Art Ohrfeige zur Belohnung, dass man es nun aber doch nicht vergessen hat. Gut, dass man es sich noch einmal schnell laut selbst gesagt hat!

Die nächste Steigerung sind Ansammlungen kleiner Sätze oder Wiederholungen in kurzen Abständen. Spätestens hier wird ein unbeteiligter Zuhörer dann doch aufmerksam. Hier beginnt die Grenze zur Normalität zu wackeln - es sei denn, derjenige studiert gerade einen Vortrag ein. Das jedoch ist dann kein Selbstgespräch, sondern hört ich lediglich so an.

Ganz bedenklich wird es, wenn er sich offen und laut selbst befragt und sich dann auch antwortet. Hier überschreitet es die Grenze des Gewohnten, die dennoch normal oder sogar gesund und sehr kreativ sein kann. Das kommt jetzt auf den Einzelfall an. Befindet man sich beispielsweise in einem schwierigen Prozess einer Auseinandersetzung, dann kann das Erüben eines Pro und Kontra-Standpunktes durch lautes Aussprechen durchaus sinnvoll sein. Mag es sich auch noch so verrückt anhören: es ist eine kluge Form der Vorbereitung. Damit ist man der konkreten Situation viel besser gewappnet. Die eigene Stimme mit den eigenen starken Argumenten ist nach tüchtiger Erübung viel sicherer und kann seine Position auch überzeugender vertreten. Wird ein anderer Mensch jedoch Zeuge solcher Gespräche und weiß nichts über den Hintergrund, sind merkwürdige Vermutungen an der Tagesordnung, die man vielleicht besser gleich durch ein klares Wort ausräumt.

Einen inneren Dialog mit sich zu führen, ist eine sinnvolle Sache. Er kann auch deshalb zur Leistungssteigerung führen, weil man sich die Motivation selbst klar machen kann. Beste Beispiele sind Sportler, die trainiert darin sind, sich bis in die Bewegungsabläufe hinein im inneren Dialog mit sich selbst und auf die Wettkampfsituation perfekt einzustellen wissen, dass diese dann viel besser zu meistern ist.

Ich selbst nutze meine vielen inneren Dialoge gern zur Selbstkritik. Es ist eine Art inneres Management, das Fairness und Konzentration erfordert und durch ein stummes Gespräch mit mir selbst besonders intensiv betrieben werden kann. Hier ist kein äußerer Zensor, sondern der unbarmherzig klare Blick auf das, was ist. Hier kann man an sich wachsen und lernen.

Der Übergang zur psychischen Störung bei Selbstgesprächen ist jedoch bei mancher Erkrankung fließend. So gibt es Krankheiten, die mit den Denkabläufen zusammenhängen. Der Patient wiederholt dann immer wieder die gleichen Sätze oder schimpft vor sich hin. Doch diese Unterschiede zum normalen oder kreativen Selbstgespräch sind für gesunde Menschen leicht zu durchschauen.

Das wir uns schämen, wenn wir beim kleinen Selbstgespräch hin und wieder erwischt werden, ist eine unserer kleinen vielen Dummheiten. Da gibt es nichts zu schämen. Selbstgespräche bei gesunden Menschen sind Zeichen innerer Kreativität und Wachstumsphasen. Zeichen von Lebendigkeit und Experimentierfreude. Zeichen von Spontaneität und Schaffenslust. Menschen, die das nicht gesund unterscheiden können und andere deshalb allzu schnell verunglimpfen, sollten sich selbstkritisch hinterfragen, wie es mit dem eigenen Vermögen zum inneren Wachsen bestellt ist.

— 16. März 2013
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