Computer-Viren

Selbstauslöschung oder das Ende von allem?, hinterfragt Christa Schyboll

Flame war in der Cyber-Szene in aller Munde. Ein Computer-Virus der es in sich hat. Betroffen waren vor allem Ziele im Nahen und Mittleren Osten. Im Fokus stand offenbar das umstrittene iranische Atomprogramm.

Israel und die USA waren die Hauptverdächtigen, deren politische Hintergründe hier nicht näher erläutert werden müssen. Der Einsatz von Cyberwaffen wird von einer Reihe von Regierungen offiziell oder inoffiziell als gerechtfertigt angesehen, vor allem dann, wenn es darum geht, den Bau einer Atombombe zu verhindern.

Nun hören wir durch die Medien, dass das Virus den Befehl zur Selbstauslöschung bekam. Ziel dabei ist, das Virus Flame von den bereits infizierten Computern so zu entfernen, dass keine Spuren von ihm übrig bleiben. Damit werden die Rückschlüsse auf die Herkunft des Virus unmöglich. Keiner will’s gewesen sein, keiner darf verdächtigt werden. Nichts ist nachzuweisen.

Je raffinierter und intelligenter diese künstlichen Computerviren gebaut werden, umso spannender und interessanter wird für die Absender ihre Einsatzmöglichkeit. Die Anwendung scheint immer Risiko ärmer zu werden, wenn durch Selbstauslöschung auch die letzten Spuren verschwinden, der den Cyberkrieg auslöste.

Denkt man das Szenario weiter, was angesichts der technischen Möglichkeiten durchaus sinnvoll ist, so weiß man, dass es uns alle jederzeit treffen kann. Ein künstliches Virus, das nicht nur Atomprogramme lahm legen kann, sondern überhaupt alles was das moderne, sensible und hoch empfindliche Leben der Menschen in Abhängigkeit vom Computer betrifft. Dass die Hackerszene im Allerheiligsten des Pentagon bereits vor Jahren eindrang und tausende geheimer Daten erbeutete, ist bekannt. Dass sich die Regierungen dieser strategisch klugen Köpfe bedienen, ebenfalls. Was folgt für uns selbst daraus: Jederzeit ist nun eine Form von Krieg möglich, die alles in den Schatten stellt, was den Umfang schneller Vernichtung angeht. Mussten früher mit konventionellen Waffen noch Panzer und Raketen in Stellung gebracht werden, so kann die Vernichtung ganzer Volkswirtschaften mit einem entsprechenden Cyberkrieg lautlos und leise binnen kürzester Zeit vonstatten gehen. Was alles in und durch Computerviren lahm gelegt werden kann, hat eine Größenordnung erreicht, die hier nicht mehr zu beschreiben ist.

Sind wir diesen Szenarien gewachsen? Oder steuern wir auf eine geheimnisvolle, lautlose Art von Krieg zu, die selbst die kühnsten Phantasien sprengt? Kritische Fragen hierzu können von der Bevölkerung aller Länder gar nicht laut genug gestellt werden. Aber es fragt sich dabei: Welche Regierung selbst ist dem noch gewachsen? Stehen wir mit all unserer hochintelligenten Technik nicht noch schneller am Rand des eigenen Untergangs als je zuvor, weil wir tatsächlich nichts mehr im Griff haben?

— 13. Juni 2012
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