Statistiken

Viel Geld für nichts?, fragt Christa Schyboll

Statistiken sind ehrlich. Statistiken sind ziemlich verrückt. Die Interpretation in beiden Fällen oft problematisch. Statistiken sind gleichzeitig aber auch relativ oder ungenau, je nachdem wie streng man die Maßstäbe anlegt oder ob ein gewünschtes Ergebnis quasi heimlich mit vorgegeben ist.

So auch die Statistiken zur Liebe, die ich einmal beispielhaft heranziehe.

Da fragte erst kürzlich im Dezember das Institut für Demoskopie in Allensbach 1828 Menschen wörtlich folgendes: "Glauben Sie an die Liebe fürs Leben, also dass man einen Partner finden kann, mit dem man für den Rest seines Lebens glücklich ist, oder glauben Sie nicht daran?"

Diese Frage liest sich auf den ersten Blick schlüssig und einfach. Scheinbar ist ein Ja, Nein, unentschieden eine schlichte Entscheidung. Am Ende kam dann heraus:

66 Prozent glauben an die Liebe fürs Leben, 16 Prozent nicht, 18 Prozent blieben da unentschieden.

Die Antwort ist aber schon ganz anders als die Fragestellung. Die Frage fragte ja nur, ob es möglich ist, dass man einen solchen Partner finden KANN und keineswegs ob man einen solchen finden und dann auch behalten wird! Wenn also gesagt wird, dass 66 Prozent an die große Liebe glauben, sagen sie eigentlich im Sinne der wörtlichen Fragestellung nur aus, dass sie es potentiell für möglich halten. Das wiederum müssten aber eigentlich fast 100 Prozent sagen. Denn potentiell möglich ist es schon allein deswegen, weil es unbestritten Paare gibt, die mit Fug und Recht am Ende eines langen Partnerschaftslebens ehrlich sagen können: Er/sie war die große Liebe meines Lebens. Also nicht daran zu glauben, dass es die große Liebe nicht geben kann, ist schlichtweg unsinnig, weil es sie nachweislich gibt. Auch wenn man selbst nicht zu den Glücklichen gehört.

Das aber ist nicht die Schuld der Befragten, die diese Frage einfach schon von Beginn an falsch interpretiert haben. Man hätte sie, um wirklich saubere Ergebnisse bekommen zu können, viel weiter unterteilen müssen in z.B.: Glauben Sie, dass Sie selbst diese große Liebe finden werden (oder haben sie sie schon gefunden?)… Glauben Sie, dass es generell nicht möglich ist – oder durchaus möglich ist? usw.

Nur weil 34 Prozent offenbar selbst die große Liebe nicht gefunden haben kommt nun ein verzerrtes Beispiel von Glaubenssätzen heraus, weil die Assoziation einfach zu viele falsche Spielräume zulässt. Geht man es noch näher an, wäre die Frage des Glücks in diesem Satz zu relativieren? Was ist Glück? Und wie dauerhaft muss es sein? Und sind nicht glückliche Paare dennoch stundenweise unglücklich? Gibt es denn dauerhaftes Glück überhaupt? Was meinen die Meinungsforscher damit genau? Da kein Mensch dauerhaftes Glück lebenslang erleben kann und wird, müssten also umgekehrt 100 Prozent dann wieder diesen Satz verneinen, weil er eine Unmöglichkeit darstellt.

Eine einfache Umfrage. Ein schlichter Satz. Und soviel problematische Interpretation. Soviel Missverständnis. Ist es wert, über den Sinn oder Unsinn solcher Befragungen nachzudenken? Ja. Nicht nur weil viele völlig unnütze Steuereuros in ständig neue Befragungen hineingesteckt werden, die zu überhaupt nichts führen, sondern weil es später auch dann Umfrageergebnisse gibt, die von Werbung, Politik und Konsumgüterindustrie usw. gewünscht und instrumentalisiert werden, die hinten und vorn nicht stimmen.

Ob es nun eine Frage von technischer Auswertungsmöglichkeit oder von mangelnder Finanzierungsbereitschaft bei Mehraufwand ist, all solche Befragungen genauer, umfassender und vor allem transparenter zu gestalten, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich mich fast über jeden Fragebogen dermaßen ärgere, dass ich die Antwort verweigere.

— 07. Juni 2012
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