Strafe

Gehören Kinder bestraft? Fragt Christa Schyboll

Nein! – Rufen die einen, die zu wissen meinen, dass Strafe als Sanktion auf ein kindliches Vergehen nichts als nur destruktiv ist.

Ja! – Rufen die anderen, die behaupten, dass ohne Strafe bei gewissen Vergehen – zumal sie mit einer erkennbaren Absicht einher gingen – sich einfach kein dauerhafter Lerneffekt einstellen will und die Wiederholungsgefahr geradezu heraufbeschworen wird.

Und die Fachleute sind sich ähnlich uneins und in gleich mehreren großen Lagern zuhause. Was bleibt also den Eltern, als selbst wieder neu zu experimentieren und sich an das zu erinnern, was sie selbst erlebten und wie es wirkte. Wurden sie selbst hart bestraft, neigen sie häufig dazu es später ebenfalls zu tun. Oder aber es verkehrt sich ins krasse Gegenteil und sie entwickeln eine Animosität gegen jede Form der Gegenwehr, weil sie durch eigene Bestrafung wie traumatisiert wurden… und nun das Kind mit dem Bade ausschütten.

Strafen und/oder Grenzen setzen ist manchmal ein großer, manchmal ein winziger Unterschied. Denn eine gesetzte Grenze wird je nach dem bereits als Strafe, gar als „harte“ Strafe empfunden. Andere Menschen haben ein völlig anderes Strafmaß, das über solche Grenzsetzungen nur lächeln mag und selbst brachial sanktioniert. Vielleicht bis hin zur körperlichen Züchtigung oder Liebesentzug.

Halten wir zunächst aber fest: Strafe ist ein aggressiver Akt gegenüber dem zu Strafenden. Begründet wird es mit verschiedenen Ansätzen wie der Hoffnung auf Veränderung des zu Bestrafenden zum Besseren oder mit dem Ziel einer Abschreckung potentieller anderer Straftäter. Es kann auch den Schutz als Ziel formulieren oder der Wiederherstellung der Gerechtigkeit dienen, was der Sühne nahe kommt.

Lassen wir die juristische Seite des Strafrechts außen vor und wenden uns der Bestrafung von Kindern zu, die nach wie vor auch heute noch kontrovers diskutiert und im realen Alltag ständig praktiziert wird. Dabei ist festzustellen, dass Strafe in der Regel nicht die erwünschten Verhaltensweisen zeitigt. So können z.B. die Auswirkungen des Strafens nicht im Detail kontrolliert werden und da faktisch nur unregelmäßig gestraft werden kann, wird nur ein Teil des unerwünschten Verhaltens abgebaut. Zudem ist der Erfolg nur kurzfristig, da der Erziehende nicht durchgängig anwesend sein kann. Außerdem verändert Strafen sich im Bewusstsein eines Kindes und häufiges Strafen wird beim stark vernachlässigten Kind eine Form des Verstärkens. Weiter haben strafende Eltern Probleme, beim Kind noch positive Erlebnisse zu erzielen, selbst wenn sie es wünschen.

Dazu kommt, dass Strafe häufig zu unerwünschten Verhaltensweisen führt. Dabei wird nur das gestrafte Verhalten verändert, sondern auch das, das ähnlich ist. Zum Beispiel kann bestrafte Aggression zur Reduzierung von Aktivität des Kindes führen. Gefährlich wird es, wenn Bestrafung zu unerwünschtem Verhalten beim Erziehenden selbst führt. So kann es sein, dass sich der Erziehende ins Strafen steigert. Je häufiger bestraft wird, umso weniger ist eine Belohnungsfähigkeit möglich. Außerdem verschlechtert Strafe die Beziehung zwischen Erziehendem und Kind, womit Lerneffekte erschwert oder unerwünscht verändert werden.

Stattdessen wären alternative Verhaltensweisen zu stärken. Werden diese Verhaltensweisen systematisch bekräftigt, entsteht mit der Zeit ein Verhaltenskomplex, der tatsächlich die bessere Alternative zu dem Verhalten sein könnte, das bestraft wird - das heißt: ein Verhalten, das der Erziehende akzeptieren kann. Diese Alternative zur strafenden Erziehung ist zudem eine humane Möglichkeit des Erziehens, die die Identität des Kindes/Jugendlichen fördert; letztendlich ist sie Erfolg versprechender als jegliche Art von Repression und Unterdrückung, die das Strafen verkörpert.

Schafft man es, frühe und klare Grenzen zu setzen und dabei liebevoll, aber klar und unmissverständlich sich zu erklären, kann so manches kleine Vergehen schon im Vorfeld abgewehrt werden. Lange Ansprachen, gar Diskussionen dabei sind jedoch zu vermeiden. Immer wird dies nicht gelingen können und früher und später wird jeder Mensch mit dem Thema Strafe dennoch konfrontiert werden. Glück dem, der es dann gelernt hat, wie damit umzugehen ist, ohne schon als Kind daran zerbrochen zu sein.

— 02. September 2010
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