Schenkst Du mir ein Bild von Dir?

Über Sympathie, Antipathie und blitzschnellen Übertragungen. Von Christa Schyboll

»Schenkst Du mir ein Bild von Dir? - Ich sammle Naturkatastrophen.« Dieser freche Spruch ist eine jener vielen Freundlichkeiten, die sich so manch meist jüngere Menschen hin und wieder gern einmal gönnen. Eher im Unterschichtniveau angesiedelt und meist wohl dann in der Pubertät.

Ob es witzig oder gar wörtlich gemeint ist, hängt nicht nur mit dem Aussehen des Adressaten zusammen, sondern auch mit der Bewertung des Adressanten. Aber auch mit der Wichtigtuerei des Sprücheklopfers, der sich durch Urteile einen gefühlten Machtgewinn verspricht. Jemanden ernsthaft für hübsch oder hässlich zu erklären, bleibt eine subjektive Anschauung oder gar ein innerer Beschluss, der noch auf ganz anderen Faktoren als der äußeren Schönheit beruhen kann. Zum Beispiel auf Sympathie oder Antipathie.

Sobald ein Mensch einen anderen als sympathisch oder antipathisch empfindet, wird die Beurteilung des Äußeren diesem Empfinden blitzschnell und meist unbewusst angepasst. Wer sympathisch rüberkommt, kann sich eine gute Portion Unterdurchschnittlichkeit leisten. Sie wird überstrahlt vom Wesen und ist oft nur noch zweitrangig. Fröhlichkeit, Humor, Warmherzigkeit, schlagfertige Intelligenz, natürlicher Charme, gar Weisheit lassen die Schönheitsfrage bei den meisten Menschen direkt in den Hintergrund treten. Voraussetzung dafür ist natürlich ein Sensor für diese schönen Eigenschaften und auch ein inneres Qualitätsmanagement, das sie nicht nur wahrnehmen kann und will, sondern auch genießen.

Wer nur auf oberflächlichen Äußerlichkeiten steht – sei es aus rein und ausschließlich sexuellem Interesse – kann diese Qualitäten schnell ausblenden bzw. hat sie oft noch nicht einmal als Alternative entdeckt. Letztlich jedoch auch nur vorübergehend, weil das Leben eben aus Mehr besteht… vor allem aus immer wieder neuen Begegnungen. Das gibt jedem die Chance, sich darin auch selbst zu begegnen und wichtige Fragen an die eigene Person und ihre Wirkung zu richten.

Sympathie überstrahlt kleine oder tiefe Falten, schräge oder runde Augen, eine Stupsnase oder gar einen Zinken, wenn entsprechende andere Eigenschaften überdeutlich positiv hervortreten. Oft wird sogar der weniger Schöne damit zu einem echten Charakterkopf und damit so interessant, dass es spannender wird als nur schön.

Umgekehrt gilt das Gleiche. Ein schönes Gesicht, eine tolle Figur – alles wunderbar. Aber was und wem nützt es, wenn sich dahinter Langeweile, Oberflächlichkeit, vielleicht sogar Dummheit, schlimmer aber Frechheit oder Primitivität offenbart? Je nach Situation und Verlangen mag es kurzfristig dann keine Rolle spielen, aber mittelfristig und langfristig wird es entscheidend sein im Umgang mit Partnern, Freunden, Mitmenschen.

Das Glück ist natürlich mit jenen, die zugleich mit beiden Attributen gesegnet sind und innere und äußere Schönheit mit einander symbiotisch vereinigen können. Das sind dann die Glückskinder des Lebens. Doch auch vermutlich müssen sie lebenslang daran arbeiten, dieses Glück auch aufrechtzuerhalten. Denn innere Schönheit braucht Qualitäten, die man zum Glück eben nicht per Schönheitsoperation eben schnell kaufen kann.

— 31. Januar 2011
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