November – Der Totenmonat

Gedanken zum Tod, der Angst und dem Leben. Von Christa Schyboll

In der ARD läuft zurzeit eine interessante Serie zum Tod. Eine ganze Woche lang. Eine neue Ausrichtung, um das natürlichste aller Ereignisse langsam wieder dem Menschen endlich einmal tiefer zu Gemüte zu führen? Ich hoffe ja.

Der Tod ist schon lange ein verdrängtes Thema. Viele Menschen wollen nichts davon wissen. Es reicht ihnen, wenn sie vom alltäglichen Krieg hören, zerfetzte Menschenteile in den Nachrichten oder sonstigen Filmen zu sehen bekommen. Zudem wird das Thema Tod geradezu perfekt auf unterhaltsame Weise durch die nicht mehr zu zählenden und höchstbeliebten Krimiserien oder Kriminalromane so ausreichend befriedigt, dass es nicht noch zusätzlich dieses Themas auf andere Weise bedarf.

Viele Menschen fürchten sich vor Toten. Sie mögen sich keine Leichname ansehen. Der Bezug zu dem Gedanken, dass man selbst einmal so da liegen wird, sehr bleich und starr, ist so unwillkommen, dass nur noch Verdrängung angesagt ist. Unter Umständen sogar bei den eigenen Angehörigen, die man lieber im Tod nicht einmal mehr anschauen, geschweige denn, noch einmal berühren möchte.

Und dabei sehen Tote in aller Regel äußerst friedlich aus. Es mag vielleicht ein paar Ausnahmen geben. Aber die Regel ist doch, dass das Gesicht so entspannt, so glatt und verjüngt sogar in vielen Fällen aussieht. Man sieht förmlich, welch eine unendliche Bürde von dem Verstorbenen genommen ist. Diese Bürde, die kein anderer wirklich für einen anderen Mitmenschen erahnen kann, mögen Krankheit oder andere Sorgen gewesen sein oder einfach auch nur die Summe der gesammelten Lebenserfahrungen, wo doch jeder durch dick und dünn, Krisen und vielen Aufgaben zu gehen hatte.

Warum hat man soviel Angst vor dem Tod? Weil man an die eigene Totalvernichtung glaubt? Ja, physisch ist es ja auch so, wenn man sich lediglich als vortrefflich funktionierende Biomaschine begreift. Die, die sich aber erweitert begreifen, die eine Anbindung an die Gedanken haben, dass der Mensch nicht nur aus Fleisch, Blut, Muskelgewebe und einem raffiniert arbeitenden Mechanismus besteht, können das Thema Tod dann auch ein wenig anders angehen. Wohl dem, der da Möglichkeiten hat.

Alles eine Frage der Selbstbelügung, des lächerlichen Versuches von Eigentrost mögen so manche dem entgegensetzen, die die wenigen Jahre des irdischen Lebens allein als das Wirkliche betrachten.

Interessant jedenfalls ist für mich ein Umstand, den man zwar biologisch begründen, aber auch metaphorisch etwas tiefer in sich einmal aufnehmen kann und sich fragen sollte: Warum kommen so gut wie alle Menschen schreiend auf die Welt!? Krebsrot, erreget, brüllend, „außer sich“… aus dem schützenden Mutterleib entlassen in eine ziemlich anstrengende Welt? Und warum sehen die Toten so friedlich aus, schreien sich nicht aus dem Leben, obschon ihnen doch angeblich die „Vernichtung“ droht, sondern sehen so entspannt, friedlich und unglaublich entlastet aus? Warum ist das Einatmen beim Eintritt in das Leben so schwer? Warum das Ausatmen so befreiend? Gewiss nicht nur eine Frage menschlicher Lungentätigkeit. Ist das nicht einmal nachdenkenswert?

— 20. November 2012
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