Tabuthema Tod

Der Übergang von der Verdrängung in die Akzeptanz von Christa Schyboll

Das Wort „Tod“ allein zwingt schon manch einen, das Gespräch oder den inneren Raum einer bestimmten Atmosphäre zu verlassen – selbst wenn man physisch anwesend bleibt.

„Was soll das mit dem Tod, wenn er gerade nicht ansteht?! Er kommt zu jedem früh genug! Sich zur Unzeit damit das Leben zu vermiesen, ist ja nun wirklich nicht angesagt!“ - So denken nicht nur viele Menschen, sondern ganze Völkerschaften und Kulturnationen. Dass es auch eine andere Haltung dazu gibt, wissen wir ebenfalls.

Der Tod ist in der heutigen Zeit DER verdrängte Bereich des Menschen schlechthin. Über ihn zu sprechen, ist vielen nicht möglich oder nur unter Ängsten. Er wird als so bedrohlich empfunden, dass sein Verdrängen die einzige Möglichkeit zu sein scheint. Und kommt er doch – z.B. bei den eigenen nahen Menschen in der Familie – so wird sein „Auftreten“ zumeist so kurz gehandhabt wie es nur irgend möglich. Schnelle „Entsorgung“ des Frischverstorbenen durch die Bestatter… durchaus würdevoll, aber weg aus den Augen mit dem Leichnam. Die Trauer um den Verlust des Menschen ist ja dennoch vorhanden… keine Totenwache, kein langer Abschied über drei Tage. Man kann „ihn“, der nicht mehr ist, nicht mehr sehen. Dieses Unvermögen im Umgang mit dem Tod hat viele tiefe Ursachen, die weniger mit dem Verstorbenen zu tun haben, als mit der Assoziation des eigenen Todes, der eigenen Vergänglichkeit. Aber auch mit unserer veränderten „modernen“ Haltung, wo der Gedanke an den persönlichen Tod einfach zu sehr „stört“.

Zu Lebzeiten ein schwer oder kaum zu bewältigender Akt für viele Menschen. Dabei wird es aber entscheidend schwerer oder leichter sein, je nachdem welche Haltung oder Überzeugung man zum Thema Tod verinnerlicht hat. Sei es ein religiöses oder mehr pantheistisches Gefühl oder sei es ein rein rationaler Atheismus, eine materialistische oder spirituelle Grundhaltung. Unendlich die Facetten von persönlichen Glaubenssätzen, die hier die entscheidende Frage nach Angst und Verdrängung beeinflussen. Denn für manche ist es auch Hoffnung oder Zuversicht. Für andere sogar ein Fest, zu dem weiße Kleider zur Freude getragen werden, dass der Verstorbene die Irrungen und Wirrungen in dieser komplizierten Welt nun hinter sich hat und in einen geistigen Raum eingegangen ist, in dem andere Gesetze herrschen.

Die individuellen Einstellungen sind geprägt durch Erziehung, Kultur, Religion/Atheismus und vor allem auch der eigenen Arbeit an diesen Themen, so man sich ihnen gestellt hat. Dabei steht unter Umständen sogar selbst der Tod als Tatsache insofern in Zweifel, als man weiß, dass das Geistige des Menschen mangels vorhandener Physis nicht sterben kann – sondern letztlich alles einem ewigen Wandlungsprozess untergeordnet ist. Und dieses „Geistige“ wird dabei keineswegs nur mit den hirnphysiologischen Auswirkungen des Bewusstsein gleichgesetzt. Dies kann tröstend sein – oder aber auch für andere: leer und nichtssagend. Auch hier entscheidet es darüber, wer sich in der Tiefe mit solchen Fragen befasst hat.

Entscheidend bleibt: Der Tod gehört zum Leben, wie das Blut zum Herzen. Ihn zu verdrängen oder nicht anschauen zu wollen, ist ein Verdrängen einer elementaren Wirklichkeit. Vielleicht liegt auch ein Geheimnis im Vertrauen ins Seins. Das alles, wie es ist, richtig ist. Richtig im Sinne einer Folgerichtigkeit, an deren Gesetzmäßigkeit man sich aber letztlich nur individuell herantasten kann.

Und wozu das alles? Vielleicht allein schon deshalb, dass einem das Natürlichste der Welt auch erträglich wird und man sich mit diesem Vertrauen dann auch wieder der Welt des Alltags in angenehmster Weise stellen kann… ohne die Hilfskrücke „Verdrängung“ noch benutzen zu müssen.

— 19. November 2009
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