Was lärmt hier so?

Gekreuzigt zwischen Presslufthämmern und Ideenlärm. Von Christa Schyboll

Lärm ist für viele Menschen unangenehm. Laubsauger, startende oder landende Flugzeuge, Presslufthämmer und ähnliche Quälgeister werden dann schnell genannt.

Verhaltener der Hinweis auf kreischende Babys, Horden tobender Kinder mit ihren unermesslichen Energien oder das Krähen eines Hahnes, wenn man nach lang durchzechter Nacht gerade endlich einschlafen wollte. Außenlärm, der krank machen kann. Oder doch zumindest ärgerlich und wütend, wenn er gerade zur Unzeit kommt.

Den Discolärm mit all seinem Bassgewummere finden nicht alle Menschen schlimm. Sonst wären diese Lokalitäten nicht so gut bevölkert. Auch das ständige Shooting-Bummbumm während der Computerspiele beim Niedermähen mit MP-Salven, scheint dem mitspielenden Ohr nicht so unangenehm zu sein, obschon es sich vielleicht in der Tonfrequenz nicht unbedingt vom unangenehmen Lärm besonders unterscheidet.

Es ist also keineswegs die Lautstärke allein oder die Schall-Frequenz fürs Ohr, ob uns Lärm unangenehm oder hochwillkommen ist. Entscheidender ist interessanter Weise, ob wir dabei Lust empfinden oder Abscheu. Ob wir uns freiwillig und gern dem Lärm stellen oder ihn gezwungener Maßen ertragen müssen.

Sucht man als Lärmgeschädigter die Stille auf, droht so manchem eine neue Kategorie von Lärm. Einen, der bisher nicht zu Wort kam und schrecklich viel zu sagen hat. Dem Lärm der Gedanken und Gefühle. Zieht man sich bewusst und gewollt in Ruhezonen zurück, wo kein äußerer Lärm das eigene Denken stört, beginnt die nächste Herausforderung, so man geistig rege ist und ein reiz-reiches Leben führt.

Nun nämlich lärmen Bedenken, Sorgen, Pläne, Ideen. Sie wollen gehört, betrachtet, durchleuchtet werden. Sie wollen dringend endlich in den eigenen Dialog mit seinem Schöpfer einsteigen und wollen wissen, was Sache ist. Was bin ich dir Wert?, ruft laut ein jeder neuer Gedanke. Sie stellen sich aber nicht ordentlich hinter einander an, sondern stürzen wie eine Lawine in den Vorderlappen des Bewusstseins, um möglichst als Erster im Bearbeitungsmodus des Bewusstseins dran zu kommen. Wie undisziplinierte Kinder, die es noch nicht gelernt haben, dass es Reihenfolgen zu beachten gibt. Ist der Kopf nur tüchtig voll mit all dem, ist das Geschrei um die Vorherrschaft des nächsten Gedankens gigantisch.

Das Gefühl mischt mit. Es sortiert nach eigener Befindlichkeit aus, was wichtiger ist. Dabei steckt es häufig im Dilemma. Ist es wichtiger, das zu bearbeiten, was gerade Bauchschmerzen macht oder doch lieber das, wo man einen schnellen Erfolg einfahren kann? Eine Zwickmühle auch nun für den Verstand. Wenn der Verstand seine quengeligen Gedankenkinder kontrollieren will, muss er selbst für eine ordentliche Aufstellung sorgen. Wer darf warum zuerst? Wer warum nicht!

Draußen ist alles ruhig. Vielleicht läuft drinnen im Hintergrund eine leise Musik. Vielleicht auch nicht einmal das. Im Kopf geht’s trotzdem laut zu. Aber nicht mehr lange, wenn man weiß, was man will. Dann kehrt auch dort Ruhe ein. Glücklicherweise manchmal sogar schon vor der ersten Phase des traumlosen Tiefschlafes.

— 25. Oktober 2013
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