Loser

Na und?, fragt Christa Schyboll

Zugegeben, es gibt schönere Seinszustände als die eines Losers. Dennoch kommt kaum ein Mensch im Leben um diese Situation irgendwann einmal herum. Deppert, wie die meisten von uns sind, wird eben auch gescheitert. Trotz all der Intelligenz mal eben voll auf die Verliererstraße geschliddert... Und nun steht man da, betröppelt oder geradezu entsetzt über sich selbst. Wie konnte das nur passieren!

Dabei sind die Situationen des persönlichen Scheiterns natürlich zu qualifizieren. Geht es ums Ganze, dann ist dies eine andere Situation, als wenn es um eine Alltäglichkeit geht, in der Scheitern auch hin und wieder ansteht. In normalen und skurrilen Situationen. Interessant ist, dass sich beim oder besser: im Scheitern etwas zeigt, was weit über das eigentliche Scheitern in der Sache selbst hinaus geht: nämlich die bereits erworbene Souveränität, auch mal scheitern zu dürfen.

Keiner kann ständig nur Erster sein, Gewinne und Ehrungen einfahren, sondern kann sich auch knüppeldick irren.Wie schlimm die Peinlichkeit eines persönlichen Versagens erlebt wird, hängt natürlich von vielem ab. Unter anderem aber auch davon, ob man sich selbst dabei die richtigen Fragen stellt. Spätestens im Nachhinein. Und diese Fragen können dann dieses Scheitern wiederum fast zu einem Gewinn machen, wenn man daraus gewisse Erkenntnisse über sich selbst zieht.

Zu fragen wäre also nicht nur nach der Latte der vielen W’s (Wie, Wo, Was, Warum, Weshalb, mit Wem usw.), die den persönlichen Lapsus betreffen. Sondern nach dieser Klärung, wäre zu fragen, wie eigentlich die Gesamtbilanz der eigenen Leistungen aussieht.

Zum Beispiel Fragen wie:

In welchem Spannungsfeld steht denn eigentlich meine normale Leistung zu diesem doch eher seltenen Scheitern?

Habe ich nicht geradezu ein statistisch eingeborenes Recht darauf? Schließlich bin ich ein Mensch!

Kann ich mir dieses Scheitern nicht sogar locker mal leisten?

Oder umgekehrt: Wenn ich mir nicht einmal ein Scheitern leisten kann, muss es dann nicht schon böse um mich stehen?

Wer sagt denn, dass jeder ständig im Hamsterrad von Anstrengung und Stress seinen Alltag zu begehen hat?

Macht mich das Scheitern am Ende sogar ein Stückchen beliebter bei den Kollegen, die das gleiche Problem doch ebenso kennen?

Schweißt es uns nicht alle zusammen, wir, die Nieganzperfekten, die Nichtgötter?

Schaffe ich es am Ende sogar, über meinen dummen Fehler zu lachen und damit über mich selbst? – Lerne ich am Scheitern also am Ende sogar die subtile Kunst des echten Humors?

Scheitern kann bitter sein, böse Auswirkungen haben und schmerzliche Empfindungen zurücklassen. Aber ob diese letztlich nicht auch ein Teil unserer krankhaften Sorge um ständige Perfektion sind, ist dabei kritisch in jedem Einzelfall zu untersuchen.

Und dann gibt es ja noch die Scheiter-Haufen. Dort sollte man nicht nur sein gesammeltes Scheitern ablegen, sondern vor allem die falsche Haltung zum Perfektionismus.

Scheitern ist menschlich. Und der Mensch ist sich selbst eine Chance.

— 04. Februar 2010
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