Weisheit

Die leise Weise der weisen Leisen von Christa Schyboll

Weisheit ist attraktiv. Der Weise steht über den Dingen. Er ist gelassen, ruht in sich selbst und hat sich ein Stück weit über das Weltliche erhoben, ohne je auch nur eine Spur Arroganz. Im Gegenteil, Bescheidenheit ist wie auch die Stille eines seiner der Kennzeichen.

Spricht es nicht schon gegen jede Weisheit, viele Worte über sie zu verlieren, statt sie still und leise hier und jetzt zu leben? Wenn man dies bejaht - und dafür gibt es gute Gründe - sollte man mit dem Lesen nun innehalten und es ruhig an dieser Stelle beenden.

Nun muss es nicht unbedingt dümmer machen, sich dennoch gedanklich ein wenig mit ihr zu beschäftigen. Immerhin gehört sie zu den Tugenden und Attributen, die ganz oben in der Liste der Wünsche angesiedelt ist, so man über einmal zu Erlangendes spricht.

Der Weise steht über den Dingen. Er ist gelassen, ruht in sich selbst und hat sich ein Stück weit über das Weltliche erhoben, ohne je auch nur eine Spur Arroganz. Im Gegenteil, Bescheidenheit ist eines seiner der Kennzeichen, wie auch die Stille. Weise, die laut tönend daher kämen, würden in ihrer Botschaft nicht gehört. Manchmal ist es das Laute und Schrille, das die Ohren und Herzen der Menschen besonders gründlich verstopft.

Aber, so frage ich mich, hören wir denn auf die leisen Weisen und ihre so eigene Weise? Hören wir denn, wenn Weise uns warnen, wertvolle Hinweise geben? Auf leise Weise, so scheint es, haben sie ebenfalls schlechte Karten in unserer Welt. Eher betrachtet man sie als eine Sondergattung mit Museumswert, Ausstellungsrelikte, auf die man stolz ist, sie in den eigenen Reihen zu wissen - aber bitteschön doch nicht für die konkrete Umsetzung aktueller Pläne in unserer schnelllebigen Welt! Zudem machen sie oftmals Vorschläge, die Verhaltensänderungen verlangen, die einen politischen GAU zur Folge hätten. Quasi auf leise Weise total entmachtet. Das würde noch fehlen! Dann doch bitte mit ihnen auf den Sessel eines Bundespräsidenten oder einer anderen repräsentativen Verpflichtung, die hübsch und anerkannt ist, aber nicht wirklich ins gesellschaftspolitische Leben eingreift und die Menschen noch ganz besoffen macht mit Idealismus, für den weder Geld, Zeit, Strukturen oder kollektive Reife da ist.

Doch genau dieser drohende Machtverlust schert sie nicht, die wirklich Echten unter ihnen. Sie sind nicht durch geschickte Public Relations zum Vorzeigeweisen hochgepäppelt werden. Man denke hier nur an die "Wirtschaftsweisen" und die trotz ihrer Gutachten hereingebrochenen Katastrophen im globalen Geldverkehr. Wird „weise“ so zum verhunzten Begriff?

Die Echten sind nur sich und ihrer Erkenntnis verpflichtet, durchdrungen von Wahrheit und Weitsicht, kompromisslos oder kompromissuchend dort, wo der Kompromiss eben die echte Lösung ist. Kein Verbiegen des geistigen Rückgrates ist gefordert, sondern jene Unbedingtheit, aus der heraus man wirklich zu neuen Ufern der Problemlösung rudern kann. Mag der Fluss noch so tief und dunkel sein, die Führerschaft ist der klare Gedanke, der sich nicht korrumpieren lässt.

Weisheit ist transkulturell und zeitlos zugleich. Sie richtet sich weder nach Meinungsmoden noch nach Geld oder Macht. Sie bedingt eine Reife, die tiefe Einsicht in die Angelegenheiten des Menschen und die Dinge des Lebens fordert. Eine ethisch-moralische Grundhaltung ist die Basis, die erst einmal vom weisen Individuum selbst erworben werden muss.

Weisheit ist attraktiv. Vor allem deshalb, weil sie für Freiheit und Unabhängigkeit des Geistes steht und sich damit aus unserer Welt der beständigen Abhängigkeiten, Süchte, Verpflichtungen, Verträge und sonstigen Torheiten ein Stück weit herauskatapultiert, ohne aber den realen Bezug zur ihr zu verlieren.

Es gibt also viele Gründe, weise werden zu wollen. Ist man es, so weiß man es auch. Es braucht keine weitere Instanz, die es bestätigt, da Weisheit in aller Klarheit sich selbst im Menschen erkennt.

— 07. August 2010
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