Der Krampf mit dem Kampf

Über Möglichkeiten, Ziele unverkrampfter zu erreichen von Christa Schyboll

Die Waage ist unbarmherzig. Man stellt sich drauf und schließt am besten so gleich die Augen. Das Elend muss man sich wirklich nicht antun. Eine Woche gefastet, danach eine Woche normal gegessen: und ab in die nächste Gewichtskatastrophe.

Oder nehmen wir ganz andere Beispiele: Rauchen. Hier ein Antirauchpflästerchen, dort ein Krankenkassen gefördertes Mentaltraining, ständig Ginseng kauen – und abends dann in der Kneipe doch wieder schwach werden. Oder die Partnerschaft: Hier ein Beziehungsseminar, dort eine stille Partnerschaftsmeditation oder gleich einen Coach vor Ort, der als Mittler das Unmögliche wie zu vermuten nicht schafft. All das läuft unter enormen Anstrengungen ab. Auch oftmals gutem Willen und überwiegend in einem Dauerkrampf.

Nicht, dass wir uns für so manches, das schwach an uns ist, nicht hin und wieder etwas anstrengen müssten. Ganz so einfach macht es uns das Leben sinnvoller Weise nicht. Aber auch Anstrengung hat eine Qualität, die zu beachten ist. Strengt man sich auf falsche Weise in all seinen individuellen Bemühungen an, so wird aus all dem nur ein Krampf, dessen Ziel nicht selten der Frust ist…. Oder auch ein Dauerkrampf, der dazu führen kann, dass man gleich nach dem nächsten Ziel hechelt, sobald eines erreicht ist. Ein leises Übergleiten in die Zwanghaftigkeit, die man vor sich selbst mit edlen Motiven und Zielen verschleiern kann.

Seelische Klimmzüge sind nicht unbedingt das Mittel der Wahl. Seelische Feinfühligkeit schon eher. Dazu eine Bedachtheit und kluge Voraussicht, so wir uns nicht der nächsten individuell geschaffenen Hölle nähern wollen. Wer sich zu sehr anstrengt, läuft Gefahr vor lauter Blindheit den richtigen Augenblick zu verpassen. Wir nutzen uns regelrecht ab dabei.

Unsere mangelnde Gegenwärtigkeit im Dauerlauf unseres Hyperaktivismus ist eine Form von Selbstvergewaltigung, die viel mehr auf Begrenztheit abzielt als wir uns wünschen. Was fehlt, ist oftmals das Vertrauen, dass sich das Gewünschte auch auf natürliche Weise durchaus einstellen kann, wenn wir von den krampfhaften Wünschen einfach loslassen. Allerdings gründlich genug, lange genug, tief genug. Die Qualität des Loslassens bestimmt, ob wir dann von unserem eigenen Ziel gefunden werden oder den Krampf des Kampfes wieder von vorne beginnen müssen.

— 26. November 2009
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