Operationsbasis. Märsche. Festungen. Gebirgskrieg

Das Heer gleicht einem Baume. Aus dem Boden, auf dem er wächst, zieht er seine Lebenskräfte. Ist er klein, so kann er leicht verpflanzt werden; dies wird aber schwieriger, je größer er wird. Ein kleiner Haufe hat auch seine Lebenskanäle, aber er schlägt leicht Wurzeln, wo er sich befindet; nicht so ein zahlreiches Heer. Wenn also von dem Einfluß der Basis auf die Unternehmungen die Rede ist, so muß allen Vorstellungen immer der Maßstab zugrunde liegen, den die Größe des Heeres bedingt.


Stets hat die Schweiz ängstliche Neutralität beobachtet. Seit Jahrhunderten ist sie allen europäischen Händeln fremd geblieben. Es gehört also ein viel größerer Übermut, eine entschiedene Geringschätzung aller alten Verhältnisse dazu, sich zu einem Einbruche in die Schweiz zu entschließen, als zur Überwältigung anderer Staaten, obgleich die Schweiz einen hohen Wert als Angriffsstation hat, weil man durch ihren Besitz imstande ist, das Innere Frankreichs mit einer Invasion zu bedrohen, ohne vor den französischen Festungen stehen bleiben zu müssen.


Wenn ein Heer zu einer Unternehmung vorschreitet, sei es, um den Feind und sein Kriegstheater anzugreifen oder sich an den Grenzen des eigenen aufzustellen, so bleibt es von den Quellen seiner Verpflegung und Ergänzung in einer notwendigen Abhängigkeit und muß die Verbindung mit ihnen unterhalten, denn sie sind die Bedingungen seines Daseins und Bestehens. Diese Abhängigkeit wächst intensiv und extensiv mit der Größe des Heeres. Nun ist es aber weder immer möglich noch erforderlich, daß das Heer mit dem ganzen Lande in unmittelbarer Verbindung bleibt, sondern nur mit dem Stück, das sich gerade hinter ihm befindet und folglich durch seine Stellung gedeckt ist. In diesem Teile des Landes werden dann, soweit es nötig ist, besondere Anlagen von Vorräten gemacht und Veranstaltungen zur regelmäßigen Fortschaffung der Ergänzungskräfte getroffen. Dieses Stück des Landes ist also die Grundlage des Heeres und aller seiner Unternehmungen; es muß als ein Ganzes mit demselben betrachtet werden. Sind die Vorräte zu ihrer größeren Sicherheit in befestigten Orten angelegt, so wird der Begriff einer Basis dadurch verstärkt, aber er entsteht nicht erst dadurch, denn in einer Menge von Fällen findet dies nicht statt.

Aber auch ein Stück des feindlichen Landes kann die Grundlage eines Heeres bilden, oder wenigstens mit dazu gehören. Denn wenn ein Heer im feindlichen Lande vorgerückt ist, werden eine Menge Bedürfnisse aus dem eingenommenen Teile gezogen. Die Bedingung ist in diesem Fall, daß man wirklich Herr dieses Landstrichs, d. h. der Befolgung der Anordnungen gewiß ist.


Die Bedürfnisse eines Heeres muß man in zwei Klassen teilen, nämlich die, die jede angebaute Gegend gibt, und andere, die es nur aus den Quellen seiner Entstehung ziehen kann. Die ersten sind hauptsächlich Unterhalts- und die zweiten Ergänzungsmittel. Die ersteren kann auch das feindliche Land, die letzteren in der Regel nur das eigene liefern, z. B. Menschen, Waffen und meistens auch Munition.


Sind einmal die Anstalten zur Ergänzung und Ernährung des Heeres in einem gewissen Bezirk und für eine gewisse Richtung getroffen, so ist selbst im eigenen Lande nur dieser Bezirk als die Basis des Heeres zu betrachten, und da eine Veränderung hierin immer Zeit und Kraftaufwand erfordert, so kann auch im eigenen Lande das Heer seine Basis nicht von einem Tage zum andern verlegen, und darum ist es auch in der Richtung seiner Unternehmungen immer mehr oder weniger beschränkt.


Die Verpflegung der Truppen bietet, wie sie auch geschehen möge (durch Magazine oder Beitreibungen), immer solche Schwierigkeiten, daß sie eine sehr entscheidende Stimme bei der Wahl der Maßregeln hat. Sie ist oft der wirksamsten Kombination entgegen und nötigt, der Nahrung nachzugehen, wo man dem Siege, dem glänzenden Erfolge nachgehen möchte. Durch sie vorzüglich bekommt die ganze Maschine die Schwerfälligkeit, durch die ihre Wirkungen so weit hinter dem Fluge großer Entwürfe zurückbleiben.


Wo aus irgendeinem Grunde der Gang der Begebenheiten weniger reißend ist, wo mehr ein gleichgewichtiges Schweben und Abwägen der Kräfte stattfindet, da ist das Unterbringen der Truppen unter Dach und Fach ein Hauptgegenstand der Aufmerksamkeit des Feldherrn.


Ohne in Bonaparte den leidenschaftlichen Spieler zu verkennen, der sich oft in ein tolles Extrem wagte, kann man doch wohl sagen, daß er und die ihm vorangegangenen Revolutionsfeldherren in Rücksicht auf die Verpflegung ein mächtiges Vorurteil beiseite geschafft und gezeigt haben, daß diese nie anders als unter dem Gesichtspunkt einer Bedingung, also niemals als Zweck betrachtet werden müsse.

Übrigens verhält es sich mit der Entbehrung im Kriege wie mit der körperlichen Anstrengung und der Gefahr. Die Forderungen, die der Feldherr an sein Heer machen kann, sind durch keine bestimmten Linien begrenzt. Ein starker Charakter fordert mehr als ein weichlicher Gefühlsmensch. Auch die Leistungen des Heeres sind verschieden, je nachdem Gewohnheit, kriegerischer Geist, Vertrauen und Liebe zum Feldherrn oder Enthusiasmus für die Sache des Vaterlandes den Willen und die Kräfte des Soldaten unterstützen. Aber das sollte man wohl als Grundsatz aufstellen können, daß Entbehrung und Not, wie hoch sie auch gesteigert werden mögen, immer nur als vorübergehende Zustände betrachtet werden und daß sie zu reichlichem Unterhalt, ja wohl auch einmal zum Überfluß führen müssen. Gibt es etwas Rührenderes als den Gedanken an so viele tausend Soldaten, die, schlecht gekleidet, mit einem Gepäck von dreißig bis vierzig Pfund belastet, sich auf tagelangen Märschen in jedem Wetter und Wege mühsam fortschleppen, Gesundheit und Leben unaufhörlich auf das Spiel setzen und sich dafür nicht einmal in trockenem Brote sättigen können. Wenn man weiß, wie oft dies im Kriege vorkommt, so begreift man in der Tat kaum, wie es nicht öfter zum Versagen des Willens und der Kräfte führt, und wie eine bloße Richtung der Vorstellungen im Menschen fähig ist, durch ihr nachhaltiges Wirken solche Anstrengungen hervorzurufen und zu unterstützen.

Wer also dem Soldaten große Entbehrungen auferlegt, weil große Zwecke es fordern, der wird, sei es aus Gefühl oder aus Klugheit, auch die Entschädigung im Auge haben, die er ihm dafür zu andern Zeiten schuldig ist.


Über das Maß eines Marsches und die dazu erforderliche Zeit ist es natürlich, sich an die allgemeinen Erfahrungssätze zu halten.

Für unsere neueren Heere steht es längst fest, daß ein Marsch von drei Meilen (21 Kilometer) das gewöhnliche Tagewerk ist, das bei langen Zügen sogar auf zwei Meilen (14 Kilometer) heruntergesetzt werden muß, um die nötigen Rasttage einschalten zu können, die für die Herstellung alles schadhaft Gewordenen bestimmt sind.


Ein einzelner mäßiger Marsch nutzt das Instrument nicht ab, aber eine Reihe von mäßigen tut es schon, und eine Reihe von schwierigen natürlich viel mehr.

Auf der Kriegsbühne selbst sind Mangel an Verpflegung und Unterkommen, schlechte, ausgefahrene Wege und die Notwendigkeit beständiger Schlagfertigkeit die Ursachen der unverhältnismäßigen Kraftanstrengungen, durch die Menschen, Vieh, Fuhrwerk und Bekleidung zugrunde gerichtet werden.


Man muß sich auf eine große Zerstörung seiner eigenen Kräfte gefaßt machen, wenn man einen bewegungsreichen Krieg führen will, danach seinen übrigen Plan errichten und vor allem die Verstärkungen, die nachrücken sollen.


Die Entfernung (eines Heeres) von der Quelle, aus der die unaufhörlich sich schwächende Streitkraft ebenso unaufhörlich erzeugt werden muß, nimmt mit dem Vorrücken zu. Eine erobernde Armee gleicht hierin dem Licht einer Lampe. Je weiter sich das nährende Öl heruntersenkt, um so kleiner wird die Flamme.


Festungen sind ein eigentlicher Schild gegen den feindlichen Angriff, dessen Strom sich an ihnen bricht wie an Eisblöcken.


Ein Verteidigungsheer ohne Festungen hat hundert verwundbare Stellen. Es ist ein Körper ohne Harnisch.


Offenbar ist die Wirksamkeit einer Festung aus zwei verschiedenen Elementen zusammengesetzt, dem passiven und dem aktiven. Durch das erste schützt sie den Ort und alles, was in ihm enthalten ist; durch das andere übt sie einen gewissen Einfluß auf die auch über ihre Kanonenschußweite hinaus liegende Umgegend.


Die Unternehmungen, die die Besatzung einer Festung sich erlauben darf, sind immer ziemlich beschränkt. Selbst bei großen Festungen und starken Besatzungen sind die Haufen, die dazu ausgesandt werden können, in Beziehung auf die im Felde stehenden Streitkräfte meistens nicht beträchtlich, und der Durchmesser ihres Wirkungskreises beträgt selten über ein paar Märsche. Ist die Festung aber klein, so werden die Haufen ganz unbedeutend, und ihr Wirkungskreis wird meist auf die nächsten Dörfer beschränkt sein. Solche Korps aber, die nicht zur Besatzung gehören, also nicht notwendig in die Festung zurückkehren müssen, sind dadurch viel weniger gebunden, und so kann durch sie die aktive Wirkungssphäre einer Festung, wenn die übrigen Umstände dazu günstig sind, außerordentlich erweitert werden.


Erzherzog Karl hat als erster aller Theoretiker den Satz ausgesprochen, daß das Gebirge dem Verteidiger nachteilig sei, wobei wir hinzufügen: insofern eine große Entscheidung gesucht wird oder zu befürchten ist.


Mit der Hauptmacht ist das Gebirge womöglich zu vermeiden und seitwärts liegen zu lassen oder vor oder hinter sich zu behalten. Im übrigen ist das Gebirge im allgemeinen sowohl in der Taktik wie in der Strategie der Verteidigung ungünstig. Es raubt die Übersicht und hindert die Bewegungen nach allen Richtungen. Es zwingt zur Passivität.

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