Biographie

Geistige Bestrebungen

Obwohl Lorber somit in diesem Zeitraume sein musikalisches Streben als seine Hauptaufgabe betrachtete, so füllte selbes doch das Bedürfnis seines Inneren nicht völlig aus.

Besonderes Interesse hegte er auch für die Astronomie. Zwar mangelte ihm, um dieselbe wissenschaftlich betreiben zu können, eine gründliche Kenntnis der Mathematik. Aber bei seinem mächtigen Drange nach höherer Erkenntnis zog ihn doch die hehre Tiefe des gestirnten Himmels von jeher unwiderstehlich an. Er suchte daher mittels einer künstlichen Steigerung seines Sehvermögens in die Geheimnisse des Weltbaues gleichsam mechanisch einzudringen und verfertige sich dazu selbst einen großen, freilich ziemlich primitiv geratenen, jedoch ganz brauchbaren Tubus. - Später war er auch so glücklich, in den Besitz eines guten Fernrohres von Steinheil zu gelangen.

An heiteren Sommerabenden, oft auch erst spät in sternhellen Nächten, wanderte er, seinen Tubus an einem Bande zur Seite hängen habend, mit einem oder dem anderen Freunde vor die Stadt hinaus und stellte das Instrument auf der freien Fläche des Glacis oder noch lieber auf der aus der Mitte der Stadt aufragenden Felsenhöhe des Schloßberges auf. Hier betrachtete er dann selbst und zeigte auch seinen Begleitern mit immer erneutem Interesse den narbenvollen Mondball, den Jupiter mit seinen Trabanten, den Saturn mit seinem Lichtringe, die übrigen Planeten und den sich wunderbar auftuenden Sternenhimmel von Myriaden leuchtender Weltkörper, zu welchen sich die Milchstraße und die Nebelflecke vor dem Objektivglase seines Tubus in das Unendliche auseinanderbreiteten. Gern gewährte er den Genuß dieses erhabenden Einblickes in die Unermeßlichkeit des Weltalls auch jedem vorüberwandelnden Spaziergänger, der etwa neugierig an sein Instrument herantrat. Und er empfand stets eine genugtuende Freude, wenn es der fremde Schaugast dann mit der Miene oder wohl gar mit einem Worte frommer Bewunderung dankend wieder verließ.

Wie sich auf diese Weise sein Bestreben, in das großartige Gebiet der materiellen Schöpfung einzudringen, lebhaft geltend machte, so entwickelte sich andererseits in ihm allmählich auch das unwiderstehliche Verlangen, auch den Weg zu den geheimen Schätzen der geistigen Welt zu finden und müßte er denselben auch jenseits der Grenzen des gewöhnlichen, allgemeinen Erkenntnisvermögens aufsuchen.

So fühlte er sich denn auch zur Lektüre von Werken hingezogen, die seiner tiefen Innerlichkeit entsprachen. Und nun las er, soweit ihm sein Broterwerb Muße gewährte, manche Werke von Justinus Kerner, Jung-Stilling, Swedenborg, Jakob Böhme, Johann Tennhardt und J. Kerning, von denen er insbesondere letzteren als denjenigen bezeichnete, dessen Schriften ihm wichtige Fingerzeige gegeben haben. Er machte aber aus solcher Lektüre, die sich überhaupt nur auf einzelne Schriften der erwähnten Autoren beschränkte, kein eigentliches Studium, was überhaupt seine Sache nicht war, sondern legte derlei Werke wieder beiseite und behielt nur die Bibel immer zu Handen. Aber auch aus dem Lesen dieser machte er kein tägliches, d.h. äußerlich gewohnheitsmäßiges, Geschäft, vielmehr griff er auch nach dem Buche der Bücher nur, wenn ihn ein äußerer Anlaß oder ein inneren Antrieb dazu bestimmte.

Bei all dieser Hinneigung zur Erforschung der tiefsten Geheimnisse ernstester Art blieb Lorber aber von aller Kopfhängerei stets weit entfernt; vielmehr war und blieb er im täglichen Umgange immer ein heiterer Gesellschafter, nur daß sich, wie er später mitteilte, um diese Zeit bei ihm allmählich bedeutungsvolle Träume einstellten, von denen er die ihm wichtiger scheinenden fortan aufzuschreiben anfing.

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