Eine Rezeptur von Nihilismus, Moral und Moralin?

Zitate Leben & Werk
Friedrich Wilhelm Nietzsche

Friedrich Nietzsches Gedankengut ist noch immer modern, auch mehr als hundert Jahre nach seinem Tod. Kenner meinen sogar, es sei "zukünftig". Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 bei Lützen geboren. Seinen posthumen Weltruhm erlebte der berühmte Philosoph nicht mehr, der bereits mit 24 Jahren schon zum Professor für Klassischen Philologie in Basel ernannt wurde. Seine Gesundheit erlaubte es ihm nicht, dieses Amt länger als zehn Jahre auszuüben. Seine diversen Leiden zwangen ihn, sich immer wieder neu nach Orten umzuschauen, die klimatisch für ihn günstig waren. Die Erkrankung an Syphilis führte infolge auch zu einer psychischen Erkrankung, die seine Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtige. Zum Ende seines Lebens war er ein Pflegefall. Mutter und Schwester kümmerten sich. So starb er im Alter von 55 Jahren im Jahre 1900.

Nietzsche war in seinen Gedankengängen radikal. Er ging an die Wurzel einer jeden Aussage, Behauptung oder messerscharfen Beobachtung. So stellte er nicht nur den Wert der Wahrheit in Frage, sondern vor allem auch die christliche Moral sowie die platonische Metaphysik. Zunächst war er als junger Mensch offen und beeinflusst von den Gedanken Schopenhauers, die ihn jedoch später zu pessimistisch anmuteten. Er übte schärfste Kritik an Moral und Religion, aber auch an der Philosophie, der Wissenschaft oder der Kunst. Nietzsche wurde entscheidender Wegbereiter für postmoderne philosophische Ansätze. Obschon er keine systematische Philosophie erschuf, sondern vor allem den Aphorismus aus Ausdrucksform seiner Gedanken wählte, gilt er bis heute als einer der bedeutendsten Philosophen.

Seine Hauptwerke werden in verschiedene Perioden eingeteilt. So entstand in der Wagnerianisch-Schopenhauerischen Zeit u.a. die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik. In seiner frei-geistigen Zeit zwischen 1872-1876, begann er mehr und mehr Aphorismen zu schreiben. Auch "Die fröhliche Wissenschaft" entstand in diesen Jahren. Als sein zentrales Werk gilt "Also sprach Zarathustra", das in der Zeit von 1883-1885 entstand. Seine Spätwerke sind von Bedeutung und gekennzeichnet durch eine polemische Schärfe. Hierzu gehören u.a. "Jenseits von Gut und Böse", "Zur Genealogie der Moral" oder beispielsweise auch "Der Antichrist".

Kritik am Christentum

Bezüglich Nietzsches Kritik am Christentum und seines Ausspruches "Gott ist tot" gab es immer wieder Missverständnisse um die Interpretation. Eine falsche Auffassung ist es, zu denken, er habe dabei den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht. Stattdessen analysierte er mit unbestechlichem Blick die seinerzeitige Form des Christentums und die kirchliche Morallehre, die er für verlogen, marode und siechend hielt. Im Aphorismus 125 der "Fröhlichen Wissenschaft" lässt Nietzsche den Tod Gottes als bedrohliches Ereignis erscheinen mit der Schreckensvision, dass der zivilisierte Teil der Menschheit ihr geistiges Fundament zerstört habe. Doch Nietzsche war auch klar, dass diese seine Gedanken Zukunftsgedanken sind, die noch lange brauchen, um in ihrer Dimension und Bedeutung vom Gros der Menschen erkannt zu werden. Für ihn wirkten gleich mehrere Strömungen an diesem Vorgang mit, die christliche Weltanschauung letztlich unglaubwürdig zu machen und damit das Christentum von innen heraus zu zerstören. Dazu gehörten unter anderem auch das Aufkommen der Naturwissenschaften und der Geschichtswissenschaft. Nietzsche legte es darauf an, die Hohlheit der bestehenden Moral zu entlarven und die Scheinmoral, das Moralin, möglichst klar vors kritische Auge zu stellen. Und in diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn er sich selbst einen Immoralisten nannte, um sich von den Moralaposteln seiner Zeit streng abzugrenzen. Er geißelte vor allem die Heuchelei der Herrschenden, was ihm viele Gegner eintrug.

Nietzsche war selbst kein Nihilist, wie viele Menschen heute noch glauben. Er selbst hat diesen Begriff gegen die christliche Religion verwendet, weil er diese selbst als im Kern nihilistisch betrachtete. Für ihn war der Nihilismus eine Fehlentwicklung aufgrund der Dekadenz des Abendlandes. Der Philosophie-Professor Karen Swassjan schrieb in seiner bemerkenswerten Nietzsche-Biografie: …."Denn wie kein anderer lehrte er, durch die Verneinung zu bejahen, durch den Verzicht anzunehmen, durch den Hass zu lieben". Er führt dort Nietzsche als eine Ausnahme vor, die niemals zur Regel unter den Menschen werden kann und zeigt den "unwiederholbaren und unnachahmbaren tragischen Kriegsmann der Erkenntnis, der seinen Gedanken nach dem Index des Radikalismus und des Katastrophismus gestimmt und sich bis zu Wahnsinn und Tod zerdacht hat."

Nach Swassjan werden Moralin und Nihilin, diese beiden von Nietzsche geschaffenen Termini, zu Schlüsselworten. Sie führen zum Verständnis der Anamnese der Krankheit, die bereits auf Jahrtausende zurückzuführen ist: "…das Fazit aller seiner Arbeiten über die Moral liegt eben dahin, dass die tausendjährige Schwangerschaft der Moral keine andere war als die vom Nihilismus und das endlich die Zeit der furchtbaren Entbindung gekommen ist."

Christa Schyboll

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