15.

Reden wir jetzt von dem Betragen gegen Undankbare. Ich habe bei mancher Gelegenheit erinnert, daß man auf dieser Erde auch bei den edelsten und weisesten Handlungen weder auf Erfolg, noch auf Dankbarkeit rechnen dürfe. Diesen Grundsatz soll man, wie ich dafür halte, nie aus den Augen verlieren, wenn man nicht karg mit seinen Dienstleistungen, feindselig gegen seine Mitmenschen werden, noch gegen Vorsehung und Schicksal murren will. Bei dem allen aber müßte man jeder menschlichen Empfindung entsagt haben, wenn es uns nicht kränken sollte, daß Menschen, denen wir treulich, eifrig und uneigennützig gedient, die wir aus der Not gerettet, denen wir uns ganz gewidmet, uns ihnen vielleicht aufgeopfert haben, daß diese uns vernachlässigen, sobald sie unsrer nicht mehr bedürfen, oder gar verraten, verfolgen, mißhandeln, wenn sie dadurch zeitliche Vorteile oder die Gunst unsrer mächtigen Feinde gewinnen können. Doch wird der weise Menschenkenner und warme Freund des Guten sich dadurch nicht abschrecken lassen, großmütig zu handeln. Mit Bezug auf das, was hierüber im zehnten Kapitel des zweiten Teils und im fünften Abschnitte des zweiten Kapitels in dem dritten Teile gesagt wird, erinnere ich nur nochmals, daß jede gute Handlung sich selbst belohnt, ja, daß der Edle eine neue Quelle von innrer Freude aus der Undankbarkeit der Menschen zu schöpfen versteht, nämlich die Freude, sich bewußt zu sein, gewiß uneigennützig, bloß aus Liebe zum Guten, Gutes zu tun, wenn er voraus weiß, daß er auf keine Erkenntlichkeit rechnen darf. Er bedauert die Verkehrtheit derer, die fähig sind, ihres Wohltäters zu vergessen, und läßt sich dadurch nicht abhalten, den Menschen zu dienen, die seiner Hilfe um so nötiger bedürfen, je schwächer sie sind, je weniger Glück sie in sich selbst, in ihren Herzen haben.

Klage also nicht über die Undankbarkeit, mit welcher man Dich lohnt! Wirf sie dem nicht vor, der sie Dir erzeigt. Fahre fort, ihn großmütig zu behandeln. Nimm ihn wieder auf, wenn er zu Dir zurückkehrt. Vielleicht geht er endlich in sich, fühlt den ganzen Wert, die Feinheit Deiner Behandlung und wird dadurch gebessert – wo nicht, so denke, daß jedes Laster sich selbst bestraft, und daß das eigene Herz des Bösewichts und die unausbleibliche Folge seiner Niederträchtigkeit Dich an ihm rächen werden. – O, welch ein langes Kapitel über die Undankbarkeit der Menschen könnte ich schreiben, wenn ich nicht aus Schonung gegen die, welche sich von dieser Seite an mir versündigt haben, meine vielfachen traurigen Erfahrungen in diesem Fache lieber verschweigen wollte!

16.

Manchen Leuten ist es schlechterdings unmöglich, in irgendeiner Sache den graden Weg zu gehn; Ränke, Schwänke und Winkelzüge mischen sich in alle ihre Unternehmungen, ohne daß sie deswegen von Grund aus böse sind. Eine unglückliche Stimmung des Gemüts und die Einwirkung von Lebensart und Schicksalen können diesen Charakter bilden. So wird zum Beispiel ein sehr mißtrauischer Mann auch wohl die unschuldigste Handlung heimlich tun, sich verstellen und seinen wahren Zweck verschleiern. Ein Mann von übel geordneter Tätigkeit oder von zu viel raschem Feuer, ein schlauer, unternehmender Kopf, der in einer Lage ist, wo ihm alles zu einfach hergeht, wo es ihm an Gelegenheit fehlt, seine Talente zu entwickeln, wird allerlei schiefe Seitensprünge wagen, um seinen Wirkungskreis zu erweitern oder mehr Interesse in die Szene zu bringen; und dann wird er nicht immer heikel genug in der Wahl seiner Mittel sein. Ein sehr eitler Mensch wird in manchen Fällen versteckt handeln, um seine Schwäche zu verbergen. Ein Mann, der lange an Höfen gelebt hat, um sich her nichts als Verstellung, Intrige, Kabale und Gegeneinanderwirken zu sehn und selbst auf gradem Wege nicht zu erhalten gewöhnt ist, findet ein Leben, das ohne Verwicklung fortgeht, zu einförmig; er wird seine unbedeutendsten Schritte so tun, daß man ihm nicht nachspüren kann, und seinen unschuldigsten Handlungen einen rätselhaften Anschein geben. Der Jurist, der sich stets mit den Spitzfindigkeiten der Schikane beschäftigt, findet innigen Seelengenuß darin, daß er in Worten und Werken allerlei Kantelen und Schwänke anbringt. Wer seine Gehirnnerven durch Romanlesen und andre phantastische Träumereien überspannt, oder wer durch ein üppiges, müßiges Leben, durch schlechte Gesellschaft und dergleichen den Sinn für Einfalt, kunstlose Natur und Wahrheit verloren hat, der kann nicht existieren, ohne Intrige – und so gibt es eine Menge Menschen, die, was sie auf gradem Wege erlangen könnten, nicht halb so eifrig wünschen, als was sie heimlich zu erschleichen hoffen. Man kann aber endlich den edelsten, offenherzigsten Menschen, besonders in jüngern Jahren, zu Winkelzügen verleiten, wenn man ihm ohne Unterlaß Mißtrauen zeigt oder ihn mit soviel Strenge behandelt, ihn in einer solchen Entfernung von uns hält, daß er kein Zutraun zu uns haben kann.

Was nun auch dazu beigetragen haben mag, manchen Menschen Ränke und Winkelzüge zur Gewohnheit zu machen, so ist wohl folgende Art, sich gegen sie zu betragen, die beste, die man wählen kann:

Man handle selbst immer so offen und unverstellt und zeige sich ihnen in Worten und Taten als einen so entschiednen Feind von allem, was Schiefigkeit, Intrige und Verstellung heißt, und als einen so warmen Verehrer jedes redlichen, aufrichtigen Mannes, daß sie wenigstens fühlen, wieviel sie in unsern Augen verlieren würden, wenn wir sie auf bösen Schlichen ertappten.

Man zeige ihnen, solange sie uns noch nicht getäuscht haben, ein unbegrenztes Vertrauen, stelle sich, als könne man sich auch die Möglichkeit nicht einbilden, daß sie uns hintergehn würden. Ist ihnen dann an unser Achtung gelegen, so werden sie sich vor dem ersten uns mißfälligen Schritte hüten.

Man zeige sich so tolerant gegen kleine Schwachheiten und so bereit, begangene Fehler zu verzeihn und zu entschuldigen, insofern nur keine Tücke dabei im Spiele gewesen, daß sie sich nicht vor uns als vor strengen Sittenrichtern zu scheuen und zu verstecken nötig finden.

Man spioniere nie um sie her, beschleiche sie nie, erlaube sich keine versteckten Wege, sondern frage, wenn man Recht dazu hat und uns daran gelegen ist, etwas, das uns nicht klar scheint, erläutert wissen zu wollen, geradezu, mit festem Tone, begleitet von einem durchdringenden Blicke, um den Grund der Sache. Stottern sie, suchen sie auszuweichen, so breche man entweder ab, um ihnen zu verstehn zu geben, daß man ihnen die Schande eines Betruges ersparen wolle, nehme aber nachher eine kältere Aufführung gegen sie an, oder man warne sie, mit freundlichem, doch ernsthaftem Wesen, ihrer nicht unwürdig zu handeln.

Haben sie uns aber dennoch einmal hintergangen so nehme man die Sache nicht auf einen leichten, scherzhaften Fuß. Man zeige sich über diesen ersten falschen Schritt so entrüstet, sei nicht sogleich bereit, denselben zu verzeihn, und hilft dann alles das nicht, und sie fahren fort, uns mit Winkelzügen und Ränken zu hintergehn, so bestrafe man sie durch Verachtung und fortgesetztes Mißtraun, das man in alles, was sie reden und tun, setzt, bis sie sich bessern; aber selten kommt der, welchem schiefe Streiche zur Habitüde geworden, wieder auf den Weg der Wahrheit zurück.

Alles hierüber Gesagte paßt also auch auf das Betragen gegen Lügner.

17.

Was man aber im gemeinen Leben einen Windbeutel oder Aufschneider und Prahler nennt, das ist eine andre Gattung von Menschen. Diese haben nicht die Absicht, jemand eigentlich zu hintergehn; um sich in besserm Glanze zu zeigen, um sich bemerkbar zu machen, um andern eine so hohe Meinung von sich beizubringen, als sie selbst haben, um Aufmerksamkeit durch Erzählung wunderbarer Vorfälle zu erregen oder um für angenehme, unterhaltende Gesellschafter zu gelten, erdichten sie, was nie existiert hat, oder vergrößern, was wenigstens nie also gewesen ist; und haben sie einmal die Fertigkeit erlangt, auf Unkosten der Wahrheit, eine Begebenheit, ein Bild, einen Satz zu verzieren, so fangen sie zuweilen an, ihren eigenen Windbeuteleien zu glauben, alle Gegenstände durch ein Vergrößerungsglas anzusehn und so in Riesengestalten wieder zu Papier zu bringen.

Die Erzählungen und Beschreibungen eines solchen Aufschneiders sind zuweilen ganz lustig anzuhören, und wenn man erst mit seiner Bildersprache bekannt ist, so weiß man schon, was man vom Ganzen abzurechnen hat, um den Überrest für bares Geld anzunehmen. Geht es aber mit seinen Verbrämungen zu weit, so kann es nicht schaden, wenn man ihn entweder durch eine Menge von Fragen über die genauesten Umstände so in sein eigenes Gewebe verwickelt, daß er, indem er weder rückwärts noch vorwärts kann, beschämt wird, oder wenn man ihm für jede Unwahrheit auf komische Art eine noch derbere wieder aufheftet und ihm dadurch merklich macht, daß man nicht dumm genug gewesen sei, ihm zu glauben, oder aber wenn man, sobald er anfängt zu blasen, die Segel der Unterhaltung auf einmal einzieht und seinem Winde ausweicht, da er dann, wenn dies öfter und von mehrern verständigen Männern geschieht, behutsamer zu werden pflegt.

18.

Unverschämte, Müßiggänger, Schmarotzer, Schmeichler und zudringliche Leute rate ich in der gehörigen Entfernung von sich zu halten, sich mit ihnen nicht gemein zu machen, ihnen durch ein höfliches, aber immer steifes und ernsthaftes Betragen zu erkennen zu geben, daß ihre Gesellschaft und Vertraulichkeit uns zuwider ist. Einer meiner Bekannten erzählte mir einst: Er habe in Holland über der Tür des Arbeitszimmers eines verständigen Mannes folgende Worte mit großen Buchstaben geschrieben gefunden: »Es ist erschrecklich beschwerlich für einen Mann, der bestimmte Geschäfte hat, von Leuten überlaufen zu werden, die keine Geschäfte haben.« – Der Einfall war nicht übel. Die, welche gern bei uns schmausen, kann man am leichtesten dadurch verscheuchen, daß man sie, ohne ihnen etwas zu reichen, wieder fortgehn lasse; aber gegen Schmeichler, besonders gegen die von feinrer Art, soll man seiner eigenen Moralität wegen auf seiner Hut sein. Sie verderben uns von Grund aus, wenn wir unser Ohr an ihren Sirenengesang gewöhnen. Dann wollen wir ohne Unterlaß gestreichelt und gekitzelt sein, finden die wohltätige Stimme der Wahrheit nicht harmonisch genug und vernachlässigen und versäumen die treuern, bessern Freunde, die uns aufmerksam auf unsre Fehler machen wollen. Um nicht so tief zu fallen, waffne man sich mit Gleichgültigkeit gegen die gefährlichen Lockungen der Schmeichelei. Man fliehe vor dem Schmeichler wie vor dem bösen Feinde! Allein das ist nicht so leicht, als man wohl glaubt; es gibt eine Art, Süßigkeiten zu sagen, die das Ansehn hat, als wollte man gerade das Gegenteil tun. Der schlaue Schmeichler, der Deine schwache Seite studiert hat, wird, wenn er Dich für zu verständig hält, um nicht die gröbern Schlingen dieser Art für gefährlich zu erkennen, Dir nicht immer recht geben; er wird vielmehr Dich tadeln; er wird Dir sagen: daß er nicht begreifen könne, wie ein so edler und weiser Mann, als Du seiest, sich einen kleinen Augenblick auch einmal habe vergessen können; er hätte geglaubt, so etwas könne nur gemeinen Leuten von seinem Schlage begegnen. Er wird an Deinen Schriften Fehler rügen, die Dir gleich beim ersten Anblicke unbedeutend scheinen müssen, und ihm nur dazu dienen, diejenigen Stellen um desto unverschämter zu loben, von welchen er weiß, daß Du Dir etwas darauf zugute tust. »Schade!« wird er ausrufen, »daß Ihre Sinfonien – ich bin kein Schmeichler, ich sage meine Meinung immer rundheraus – schade, daß diese herrlichen Sinfonien, die gewiß in allem Betracht ein klassisches Werk genannt werden können, so äußerst schwer vorzutragen sind. Wo findet man Meister, die würdig wären, so etwas aufzuführen? Und doch ist das ein wesentlicher Fehler, den Sie, verzeihen Sie meiner Offenherzigkeit! hätten vermeiden sollen.« Er wird Mängel an Dir finden und mit verstelltem Eifer dagegen deklamieren, Schwachheiten und Mängel, auf welche Deine Eitelkeit sich etwas einbildet. Er wird Dich einen Misanthropen schimpfen, wenn Du gern siehst, daß Deine abgezogene Lebensart Aufsehn erregen soll, er wird Dir vorwerfen, Du seiest intrigant, wenn es Dir behagt, für einen schlauen Hofmann angesehn zu werden. Auf diese Weise wird er sich bei Dir und andern Kurzsichtigen in den Ruf eines unparteiischen, wahrheitsliebenden Mannes setzen; sein honigsüßer Trank wird glatt hinuntergehn, und in der Berauschung werden Dein Herz und Dein Beutel dem verschmitzten Spötter offenstehn. Vielfältig habe ich besonders an Höfen dergleichen Männer angetroffen, die, unter der Maske der Bonhomie, und bei dem Rufe, den Fürsten tapfer die Wahrheit zu sagen, die ärgsten Maulschwätzer waren.

19.

Jetzt werde ich im allgemeinen von dem Betragen gegen Schurken, das heißt gegen Leute, die von Grund aus schlecht sind, reden, obgleich ich dafürhalte, daß – ein bißchen Erbsünde abgerechnet – eigentlich kein Mensch von Grund aus ganz schlecht, wohl aber durch fehlerhafte Erziehung, Nachgiebigkeit gegen seine Leidenschaften oder durch Schicksale, Lagen und Verhältnisse, so verwildert sein könne, daß von seinen natürlichen guten Anlagen fast keine Spur mehr zu sehn ist. Hier aber kommt es nicht darauf an, wie jemand ein Schurke geworden, sondern wie er, wenn er ein solcher ist, müsse behandelt werden. Ich beziehe mich dabei zuerst auf das, was ich über den Umgang mit Feinden und über das Betragen gegen Verirrte und Gefallene sagen werde, und füge nur noch nachstehende Bemerkung hinzu:

Daß man womöglich den Umgang mit schlechten Leuten fliehn müsse, wenn uns unsre Ruhe und unsre moralische Vervollkommnung am Herzen liegt, das versteht sich wohl von selber. Wenn ein Mann von festen Grundsätzen auch nicht eigentlich schlecht durch sie wird, so gewöhnt er sich doch nach und nach an den Anblick der Untaten und verliert jenen Abscheu gegen alles, was unedel ist, einen Abscheu, der zuweilen einzig hinreicht, uns in Augenblicken von Versuchung vor feinern Vergehungen zu bewahren. Leider aber zwingt uns unsre Lage zuweilen, mitten unter Schurken zu leben und mit ihnen gemeinschaftlich Geschäfte zu treiben, und da ist es denn nötig, gewisse Vorsichtigkeitsregeln nicht aus der Acht zu lassen.

Glaube nicht, wenn Du einiges Verdienst von seiten des Kopfs und des Herzens hast, glaube nicht, es dahin zu bringen, daß Du von schlechten Menschen je gänzlich in Ruhe gelassen werden, noch mit ihnen in Frieden leben könntest. Es herrscht ein ewiges Bündnis unter Schurken und Pinseln, gegen alle verständigen und edlen Menschen, eine so sonderbare Verbrüderung, daß sie unter allen übrigen Menschen einander erkennen und bereitwillig die Hand reichen, möchten sie auch durch andre Umstände noch so sehr getrennt sein, sobald es darauf ankommt, das wahre Verdienst zu verfolgen und mit Füßen zu treten. Da hilft keine Art von Vorsichtigkeit und Zurückhaltung, da hilft nicht Unschuld, nicht Gradheit, da hilft nicht Schonung, noch Mäßigung, da hilft es nicht, seine guten Eigenschaften verstecken, mittelmäßig scheinen zu wollen. Niemand erkennt so leicht das Gute, das in Dir ist, als der, dem dies Gute fehlt. Niemand läßt innerlich dem Verdienste mehr Gerechtigkeit widerfahren als der Bösewicht; aber er zittert davor, wie Satan vor dem Evangelio, und arbeitet mit Händen und Füßen dagegen. Jene große Verbrüderung wird Dich ohne Unterlaß necken, Deinen Ruf antasten, bald zweideutig, bald übel von Dir reden, die unschuldigsten Deiner Worte und Taten boshaft auslegen – aber laß Dich das nicht anfechten! Würdest Du auch wirklich von Schurken eine Zeitlang gedrückt, so wird doch die Rechtschaffenheit und Konsequenz Deiner Handlungen am Ende siegen und der Unhold bei einer andern Gelegenheit sich selbst die Grube graben. Auch sind die Schelme nur so lange einig unter sich, als es nicht auf männliche Standhaftigkeit ankommt, solange sie im Dunkeln fechten können. Hole aber Licht herbei, und sie werden auseinanderrennen! Und wenn es nun gar zur Teilung der Beute ginge, dann würden sie sich untereinander bei den Ohren zausen und Dich indes mit Deinem Eigentume ruhig davonwandern lassen. Gehe Deinen graden Gang fort. Erlaube Dir nie schiefe Streiche, nie Schleichwege, um Schleichwegen zu begegnen, nie Ränke, um Ränke zu zerstören. Mache nie gemeinschaftliche Sache mit Bösewichten gegen Bösewichte. Handle großmütig! Unedle Behandlung und zu weit getriebenes Mißtrauen können den, welcher auf halbem Wege ist, ein Schelm zu werden, vollends dazu machen, und Großmut hingegen kann einen nicht ganz versteckten Unhold vielleicht auf einige Zeit wenigstens bessern und die Stimme des Gewissens in ihm erwecken. Aber er müsse fühlen, daß Du nur aus Huld, nicht aus Furcht also handelst. Er müsse fühlen, daß, wenn es auf das Äußerste kommt, wenn der Grimm eines unerschrocknen redlichen Mannes losbricht, der kühne, rechtschaffene Weise im niedrigsten Stande mächtiger ist als der Schurke im Purpur; daß ein großes Herz, daß Tugend, Klugheit und Mut stärker machen als erkaufte Heere, an deren Spitze ein Schuft steht. Was kann der fürchten, der nichts mehr zu verlieren hat, als das, was kein Sterblicher ihm rauben kann? Und was vermag in dem Augenblicke der äußersten, verzweifelten Notwehr ein feiger Sultan, ein ungerechter Despot, der in sich selbst einen Feind herumträgt, der ihm immer in die Flanke fällt, gegen den Niedrigsten seiner Untertanen, der ein reines Herz, einen hellen Kopf, Unerschrockenheit und gesunde Arme zu Bundesgenossen hat?

Es ist unmöglich, sich von gewissen Leuten geliebt zu machen, und da kann es nicht schaden, wenn diese uns wenigstens fürchten.

Es gibt Leute, die uns zu Vertraulichkeiten, zu gewissen Konfidenzen zu bewegen suchen, damit sie nachher Waffen gegen uns in Händen haben, womit sie uns drohen können, wenn wir ihnen nicht zu Gebote stehn wollen. Die Klugheit erfordert, davor auf seiner Hut zu sein.

Beschenke den, von dem Du fürchtest, er werde Dich bestehlen, wenn Du glaubst, daß Großmut noch Eindruck auf ihn machen könnte!

Ermuntre, ehre äußerlich Menschen, an denen Du irgendeine Tatkraft zum Guten findest. Bringe sie nicht ohne Not um Kredit. Es gibt Leute, die viel Gutes sagen, im Handeln aber heimliche Schalke sind, oder Menschen voll Inkonsequenz, Leichtsinn und Leidenschaften. Entlarve diese nicht, insofern es nicht der Folgen wegen sein muß! Sie wirken durch ihr Reden manches Gute, das nicht geschieht, wenn man sie verdächtig macht. Man sollte sie immer herumreisen lassen, um gute Zwecke zu befördern; allein sie müssen jeden Ort früh genug verlassen, um sich nicht zu verraten und durch ihr Beispiel nicht die Wirkung ihrer Lehren zu verderben.

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