Welche Kraft liegt in den Wörtern, die auf »los« endigen: »Hoffnungslos,« »Klaglos,« »Furchtlos.« Viel schrecklicher ist »Freudlos« als »Leidensvoll«, denn »Leidensvoll« schließt die Möglichkeit der Freude noch nicht aus. »Treulos« ist schlimmer als »Untreu«, »Baumlos« ist kahler als kahl, »Weglos« irrender als »verirrt«, »furchtlos« ist mehr als »muthvoll«, »kraftlos« schwächer als »schwach«.

Den Dichter muß dasselbe Entzücken über eine Sprache ergreifen, wie den Violonisten über eine alte Geige, der er ihre Tonfülle entlockt.

Den Menschen, die man genau kennt, möchte man selten widersprechen, da sie ihres Lebens Ergebniß sind. Man trachte nur danach, vieler Menschen und vieler Völker Leben in sich zu vereinigen, auf daß man Alle verstehe und noch seltener widerspreche.

Die Schwächlinge unsrer Zeit möchten uns Alle zu Epigonen stempeln, wir aber fühlen uns noch als Wein von der alten Rebe, nicht als ausgekelterte Beere.

Immer die rechte Farbe auf den rechten Platz, so malt man ein schönes Bild.

Die Leute, die Andre so leicht verändert finden, haben sie meistens früher falsch beurtheilt und urtheilen in dem Augenblicke wieder falsch, in dem sie die Veränderung wahrzunehmen glauben. Wer beurtheilt Wen richtig? Viel Leiden, viel Erfahrung, große Güte, große Klugheit, eine genaue Kenntniß des Körpers und unendliches Mitleid sind dazu nothwendig.

Laien wollen stets des Dichters Ueberzeugungen aus seinen Schriften herauslesen. Aber er ist nicht dazu da, Ueberzeugungen zu haben, da er die ganze Welt in sich aufnehmen und wiederspiegeln muß. Er ist weder Prediger noch Richter, sondern Sänger, beweglich, jedem Eindruck offen und muß sagen was er sieht, auf die Gefahr hin, dafür gesteinigt zu werden. Der Dichter ist ein Hellseher und schreibt Manches unbewußt, wie von fremder Gewalt geführt. Es handelt sich nur darum, wie viel Talent er hat, nicht wie viel Erfahrung. Erfahrung hat noch keinen Menschen zum Dichter gemacht.

Geduld ist eine That. Geduld ist eine Kette von Thaten, Geduld ist gipfelnde Willensstärke.

Was Viele an der Kunst erfreut, ist ihre sinnliche Seite.

Unbewußte und ungewollte Grausamkeiten foltern am gründlichsten.

Man sollte die Menschen nach dem Maaße ihrer Feinde wägen. Bald wird man finden, daß der Feindlose leichte Waare ist.

Du willst eines Menschen Leben schreiben? Aber ein Leben ist wie der heilige Rock, ungenäht. Und da kommt man und reißt es in hundert kleine Stücke und näht es wieder zusammen, und dann sieht es nicht mehr aus wie die Natur.

Wenn die Menschen die Welt häßlich finden, so ist das nur, weil sie nicht auf ihre Manier genießen können. Wäre es möglich, Jedem seinen liebsten, besten Weideplatz zu verschaffen, er würde sich sofort vor Wonne wälzen und die Beine in die Luft strecken.

Weil man im Nebenmenschen die Bestie ahnt, verbirgt man vor ihm sein Weh, bis es marmorn geworden.

Politische Männer hegen weit seltener Selbstmordgedanken als Künstler.

Für »Naschen« giebt es kein Wort auf Französisch. Die lateinische Race macht dem Gaumen viel größere Concessionen als die germanische.

Anstatt berühmten Leuten Monumente zu errichten, sollte man ihre Wohnung ankaufen und unberührt erhalten. Miramar, Goethe's Haus, Beethoven's Wohnung, Kaiser Wilhelms Zimmer – man würde plötzlich von ihrem Geiste angeweht, als reichte man dem Menschen die Hand und hörte ihn seufzen.

Wenn man noch nicht in der Hölle gebrannt hat, wie sollte man ihre Flammen beschreiben? Wenn man nicht die Faust gegen die Lippen gedrückt, bis die Zähne darin eingegraben, wie soll man wissen, wenn das Herz aufschreit? Wenn man sich nie von Gott und Menschen verlassen gefühlt hat, als Derjenige, der doch alle Verantwortung trägt und auf den alle Schmähungen gehäuft werden, aus dessen Hirn die Hülfe kommen soll, dessen Rathlosigkeit kein Mensch ahnen darf – wie soll man dann einen großen, einsamen Mann darstellen?

Beethoven ist so groß, daß man nicht an seine Mutter denkt, als wäre er eine Naturkraft, dem Erdenschooß entquollen.

Die Glückseligkeit einer Gedankenconception ist so groß, daß man dafür alles Andre ertragen kann, was die Krämer Ungemach nennen. Und doch ist die Conception ein Schmerz, ein jubelnder Schmerz, der einen beinahe umbringt. Man hat jedes Mal das Gefühl, als müßte man darüber zu Grunde gehen. Die Schwierigkeit ist, genug Besonnenheit zu bewahren zum schönen Ausbau. Zuerst möchte man nur rasen.

Die lateinischen Völker entbehren das Wort: Uebermuth. Sie entbehren auch die Sache.

Lustigkeit erblüht auf körperlicher Kraft, Heiterkeit auf hoffnungsloser Trauer. Lustigkeit ist ein belebender Wein, Heiterkeit ein heilender Balsam.

Blumenduft, ein schönes Organ, eine wohlgebaute Stirn erzeugen ein ähnliches Ruhegefühl und Wohlbehagen.

Veilchen, Reseda, Rosen passen zu allen Verhältnissen und sind unter allen Umständen erquickend. Sie scheinen sich der Stimmung anzupassen, drängen sich nicht auf und füllen mit ihrer lieben Gegenwart doch den ganzen Raum.

Wenn eine Frau unglücklich ist, so gehen oft ihre Eigenschaften schlafen, und ihre Fehler treten stärker hervor. Die Welt sieht dann nur die Fehler und merkt nicht, daß das Schöne verkümmerte, weil es verachtet wurde.

Nur in seinem eignen Heim kann man einen Menschen richtig beurtheilen.

In dieser wirren und irren Welt hat Jedermann Recht, und wer lange lebt, wird überzeugungslos.

Geduld und Würde sind Sache der Rasse, nicht der Religion.

Nicht was eine Sache ist, sondern wie sie sich in unserm Gehirn reflectirt, macht ihren Werth.

Freude am Leben ist äußerlich, zufällig, Lebensfreude ist Charakterstärke, wenigstens Gesundheit, immer Kraft.

Macht ist also zu denken: Immer säen, ohne nach der Ernte fragen zu müssen. Wer nach der Ernte frägt, ist schon unfrei, gebunden, denn er hat Sorgen und wird abhängig.

Was ist vornehm? Es wohnen die erhabensten Gedanken in der elendesten Gestalt, hinter dem Affengesicht eines Gelehrten, und die gemeinsten Triebe und Leidenschaften in einer königlichen Erscheinung. Vornehmheit ist ganz unabhängig von Verstand und Erziehung. Ein Mensch kann die feinsten Manieren haben und philiströs sein, der Andere legt die Füße auf den Tisch und ist jeder Zoll ein Prinz. Der Eine bewegt die Welt mit seinen Gedanken, und wenn man ihm begegnet möchte man ihm einen Groschen schenken; der Andre kann nicht orthographisch schreiben, und Jeder macht ihm Platz, weil er aussieht, wie ein großer Herr. Souveräne Gleichgültigkeit gegen des Lebens kleine Miseren ist vornehm, wie ein großer Hund, der rings umbellt, nicht einmal den Kopf wendet. Bei Frauen ist die Sache noch schwieriger; denn bei ihnen ersetzt Schönheit, Grazie, Eleganz die mangelnde Vornehmheit.

Alles, was das kommende Geschlecht hinfällig macht, ist Sünde.

Seelenapostel müssen Asketen sein, Körperapostel Herkulesse.

Kein Mensch ändert sich. Darum sind allein die Romane gut, in denen die Gestalten sich in jeder Lage treu bleiben, siehe Fritz Reuter, Dickens.

Ist es nicht merkwürdig, daß eine Frau gern bereit ist, das Leben zu lassen, um einem unbekannten Sohn das Dasein zu schenken, der besser nie geboren wäre?

Was ist besser: Stürmen und Schaffen, Sündigen und Sühnen, oder Vielen Halt und Vorbild sein und nie den rechten Weg verlassen? Beides ist wohl nothwendig in der Weltordnung.

Humor ist, das Komische im Rührenden finden, ohne die Rührung zu zerstören.

Geistige Arbeit ist zugleich eine physische Wonne. Es ist ein Hochgenuß, mit Klängen zu spielen. Kein irdischer Genuß kann der Schaffensstunde gleich kommen. Darum wirft man den Dichtern oft Kälte vor, weil sie in das umgebende Leben nicht mehr die Leidenschaften übertragen können, deren ganze Scala sie ohne äußere Beihülfe in viel schönerer und potenzirter Form durchgekostet haben. Und da dieses innere Schauen zugleich ein großer Kraftaufwand ist, so wird der Dichter gegen die äußere Welt scheinbar kühl, aus der er nur den Stoff nimmt, um die Elemente seiner Batterie zu erneuern. Er gäbe wohl die ganze ewige Seligkeit für eine Schaffensstunde.

Tegner sagt: »Starke Ströme gehen mit eignen Wellen durch das Meer.« Man denke sich einen Menschen, wie den Golfstrom, der seine Wärme durch die halbe Welt, durch Oceane wälzt, und große Ländermassen fruchtbar und warm macht, die sonst unbewohnbar wären. Solch ein Mensch sollte der Souverän sein, und der Dichter.

Künstler stehen vor dem Schönen sprachlos, wie gebannt. Laien fragen zuerst: »Von wem ist das?« und bewundern nachher.

Einem unzufriedenen Gemüth passirt nur Unangenehmes, während ein heiteres immer Grund zur Freude findet.

Sobald du eines Menschen Vertrauen in dich erschüttert siehst, so schimpfe nur in seinem Sinn über einen Dritten. Alsbald wird er sich dir wieder zukehren.

Man zeigt immer Muth, wenn man verzweifelt. Nur der Hoffnungsvolle kann auch muthlos sein.

Die Güte bekommt Einem zuweilen schlecht und wird mißverstanden und mißbraucht. Und dennoch ist die höchste Eigenschaft in dieser Welt erleuchtete Herzensgüte.

Es ist doch gut für den lieben Gott, daß er zuweilen leere Kirchen findet. In denen kann er dann ausruhen.

Die allerglücklichsten Menschen auf Erden sind die mediatisirten Fürsten. Sie leben wie Landesherren und wie Privatleute, ohne Lasten, mit allen Vortheilen und Ehren.

Wer nicht vertragen kann, getröstet zu werden, der muß heiter sein.

Dein Gesicht ist für die andern Leute da; darum laß es ihnen hell scheinen, wie die Sonne.

Beim gewaltigsten Ringen wird man so still, daß die Menschen es für Ruhe halten und für Geduld.

Kinder, die auf dem Kirchhof aufwachsen, werden lustiger als Kinder die vor dem Kirchhof aufwachsen.

Was ein Mädchen sagt und was es denkt, ist dreierlei.

Schmerz erträgt sich manchmal darum besser als Freude, weil man dem Schmerz seine ganze Kraft entgegensetzt, während man sich der Freude kraft- und willenlos überläßt.

Schmutz ist etwas, das sich an einer Stelle befindet, wo es nicht hingehört.

Das Natürliche ist anständig; nur Unnatur ist ekelhaft.

Heimweh! Könnte man nicht im Himmel Heimweh bekommen, wenn Einem plötzlich der Brunnen an der Ecke einfiele?

Nach einem großen Unglück geht die Ehe leicht auseinander. Man muß sich sehr lieb haben, wenn man dann nicht kalt und fremd werden soll.

Eines hervorragenden Mannes rechte Wittwe ist wie ein wandelndes Mausoleum, wie ein lebendes Heldengedicht.

Wenn man einen Menschen lieb hat, dann zweifelt man nie an ihm. Sobald man zweifelt, prüfe man sich selbst: irgend ein Herzenswinkelchen will kalt werden.

Entweder sei Prometheus oder Psyche, entweder schaffe oder liebe, in beiden Fällen besiegst du die Götter und das Schicksal.

Man könnte wohl Phaeton sein und in's Meer stürzen, wenn man einen ganzen Tag die Sonne geführt hätte.

In einem wohlorganisirten Kopfe sollte nicht die Verstandesschärfe die Vernunft übersteigen. Denn Vernunft steht weit höher als Verstand. Man würde nie von der Schärfe der Vernunft sprechen, nur von ihrer Höhe, Weite, Erkenntniß. Vernunft ist ein Dom, an dem der Verstand die leuchtende Thurmspitze ist.

Je unglücklicher man ist, je weniger kann man gegen sich selbst mitleidig sein.

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