Buddha über Wunsch

  • Zwei Dinge sollst du meiden: die zwecklosen Wünsche und die übertriebene Kasteiung des Leibes.

Buddha

indischer Religionsstifter

* um 563 v. Chr. Lumbini (Nepal)
† um 483 v. Chr. Kushinagara

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Beim Nachdenken über diesen Buddha-Rat steigen recht interessante Bilder in mir auf. Bilder von den modernen Kasteiungen des Leibes – zum Beispiel in Form des zeitgemäßen und immer beliebter werdenden Extremsports in vielen Disziplinen.

Ist es nicht eine überaus berauschende Erfahrung für viele Menschen, wenn sie ihren Körper zu Höchstleistungen befähigen? Der Lohn für all diese Qual ist neben Anerkennung und Geld auch ein Hochgenuss an Hormonausschüttungen. Sie bringen ihnen nach einer vollendeten Leistung tiefste Glücksgefühle – jedoch mit einer offenbar geringen Nachhaltigkeit. Denn schnell muss das Erlebte in der einen oder anderen Form wiederholt werden. Der Körper schreit nach dieser biochemischen Substanz, die Herz, Hirn und Nerven befeuert.

Wie sehr aber muss man einen Leib kasteien, sprich quälen oder wie fit muss man sein, um die Schlucht des Grand Canyon auf einem dünnen Seil zu überqueren, 20 m hohe Wellen zu surfen oder im Skizirkus der höchsten Gipfel ein Lawinenorakel durch Helikopter-Sprünge zu beschwören. Steht nicht vor jeder dieser erfolgreichen körperlichen Errungenschaften nicht ein Höchstmaß an ganz persönlicher körperlicher und auch mentaler Qual?

Und quälen sich die Abermillionen von Menschen in allen Sportarten nicht etwa freiwillig, gern und oft zudem auch rauschhaft? Wann beginnt die Grenze der Übertreibung? Gibt es sie überhaupt? Oder zeichnet sie nur der Tod höchstpersönlich durch seine Werkzeuge wie Absturz, Herzinfarkt oder Multi-Organversagen? Sind es tatsächlich nur die Genüsse gesteigerter Endorphin- oder Adrenalin-Ausschüttungen? Oder ist es das Bewusstsein um das Einzigartige, ganz Besondere, das weit außerhalb der Norm steht? Aber wird nicht ständig eine Außergewöhnlichkeit auch neu getoppt?

All das kann vermutlich bejaht werden und trifft dennoch nur eine Teilwahrheit der meisten Extremsportler. Einer der Hauptgründe für eine solche Kasteiung dürfte wohl für viele sein: Diese Menschen spüren sich bei diesem Tun selbst intensiver denn je. Sie fühlen ihren Körper und seine Wahrheit der Begrenzung, die weiter und weiter gedehnt wird. Alles ist durch die unmittelbare Direkterfahrung lebendiger als jeder Gedanke, jedes Gefühl oder jede Vorstellung davon. Das Risiko des Todes lauert in jeder Sekunde.

Warum also warnt Buddha, wenn es doch solchen Spaß macht, freiwillig geschieht und nicht auf dem Hintergrund eines religiösen Glaubensmotivs erfolgt? Warnt er vielleicht deshalb, weil die Grenze von der Freude zur unbedingten Lust genau jene ist, wo auch die Sucht lauert und ihre Fangarme ausstreckt? Wo die Abhängigkeit vom Erfolg oder von der Wiederholung zu einer Lebenshaltung führt, die nicht nur Schaden oder frühen Tod bergen kann, sondern vor allem auch die Unfreiheit im Hamsterrad einer drohenden, aber noch unbekannten Besessenheit?

Von der Zwecklosigkeit der Wünsche

Das Leben ist kostbar und ist zu schützen. Es ist zu bewahren und möglichst nicht zu schädigen. Und natürlich gilt dies nicht nur für Extremsportler, sondern für alle Menschen, die auch auf ganz andere Weise ihren Körper schädigen oder ihr Leben durch falsche Lebenshaltung in Gefahr bringen können, auch wenn es dann ins andere Extrem statt der Kasteiung fällt: Nämlich die Überfülle, den Missbrauch, von was auch immer. Interessant ist, dass die Sucht des Menschen auch schon vor zweieinhalb Jahrtausenden ein so ernstes und scheinbar häufig vorkommendes Thema war, dass Buddha meinte, dazu raten oder warnen zu müssen.

Und was ist mit den zwecklosen Wünschen, dem anderen Teil seines klugen Rates? Wann sind Wünsche denn zwecklos im Sinne von "unsinnig"? Immer dann, so glaube ich, wenn sie einerseits völlig realitätsfern sind oder andererseits die Konsum- oder Lustabhängigkeit noch weiter vertiefen.

Auch hier können wir beim Menschen der Moderne bleiben, der sich scheinbar in Bezug auf Wünsche von den Zeitgenossen Buddhas nicht wirklich unterschied. Was sich jedoch seitdem veränderte, ist das Verführungspotenzial. Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte wurden die Hirnareale für Wünsche des Menschen, so dauerhaft und nachhaltig von Bild, Wort und Ton manipuliert wie heute. Der Mensch ist weniger als Mensch als mehr als Konsument interessant und umworben. Und angestachelt von immer feineren Inputs wünschen sich die Menschen dies und jenes… wünschen und wünschen ohne Ende. Das Ende der Wünsche wäre für jede Wirtschaft eine Katastrophe, so wie sie heute aufgebaut ist und nach immer mehr und mehr verlangt, um zu funktionieren. Dabei weiß ein jeder, der mitdenkt, wie sehr all dies nicht nur der Ressourcen wegen dennoch begrenzt ist.

Der immer neue Wunsch wird zur Suche, zur Sehnsucht und später für viele auch zur Sucht. Die Unerfülltheit treibt die Menschen immer weiter an. Sie lässt ihn aber, wie jede andere Sucht auch, keine innere Ruhe finden und beschert auch keine dauerhafte Befriedigung. Die Dosis braucht eine immer neue Erhöhung, weil die kleine Befriedigung der Wunscherfüllung doch allzu schnell außer Kraft gesetzt wird. Der Mensch im Hamsterrad seiner eigenen Sucht. Buddha warnt, ohne zu verbieten. "Meidet es!" Sagt er. Und er wusste warum. Ob dieses "Warum" auch für die eigene Person eine qualitative Bedeutung hat, muss jeder für sich selbst beantworten. Doch dazu muss er das Prinzip und die Wirkung des Hamsterrades auch verstanden haben.

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