Horaz über Nicht-Glücklichwerden
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Es gibt kein vollkommenes Glück.
Nihil est ab omni parte beatum.
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Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat
Der römische Dichter Horaz desillusioniert die Menschen mit so mancher philosophischer Wahrheit. So auch dieser zum Thema Glück. Ist man glücklich, so befindet man sich – gefühlt – in einer momentanen Vollkommenheit. Was kann es denn noch Tieferes und Schöneres für ein Menschenwesen geben als echtes Glück? Warum aber spricht Horaz dem Glück die Vollkommenheit ab?
Was dem Glück in aller Regel fehlt, ist die Dauerhaftigkeit. Dieses Fehlen macht Glück zu einer flüchtigen Angelegenheit. Man mag zwar im Augenblick des Glücks oder auch in den Stunden des Glücks so etwas wie Vollkommenheit fühlen und erleben, aber dies nur deshalb, weil die Gedanken über das Glück dann ausgeschaltet sind. Man lebt in der reinen Empfindung, die vorübergehend als perfekt erlebt werden kann, weil für den Augenblick jedenfalls nichts fehlt. Man ist ganz… auf einem Level, das man selbst schon als Ganzheit erlebt.
Sobald sich aber der Verstand einschaltet oder die Wirklichkeit selbst, wird schnell klar, dass das erlebte Glück bald wieder weicht. Das eigene Befinden gleicht sich früher oder später dem Normalzustand vor dem besonderen Glückszustand an. Der Normalzustand ist aber jener nicht perfekte Zustand, dem eben die Vollkommenheit fehlt, weil das Leben ein dynamisches Auf und Ab von Erfolgen und Niederlagen, Glücksmomenten, Ärger und Frust im Wechsel birgt.
Glück ist für den Menschen der Moderne bereits so wichtig geworden, dass das Recht darauf in Schul- und Lehrpläne und sogar in eine nationale Verfassung Eingang fand. Doch was nützen all die Rechte am Glück, wenn man sich um das eigene Glück nicht in der rechten Weise bemüht? Ist Glück vielleicht eine Symbiose, die genau die richtige Mischung aus Schicksal und eigenem Bemühen braucht? Und ist es am Ende nicht auch das Geheimnis unserer Haltung und Erwartung ans Leben und an uns selbst, die darüber entscheiden, ob es länger währen kann als immer nur für kurze Momente?
Glückliche Menschen leben gesünder. Glückliche Kranke tragen ihr Leiden leichter, fröhlicher als so mancher Gesunde sein inneres Unglück. Es lohnt sich also, sich fürs Glück in die Riemen zu schmeißen, um der Vollkommenheit zumindest in kleinen Schritten ein wenig näher zu kommen.