Immanuel Kant über Firmament

  • Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Ich sehe sie beide vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein meiner Existenz.

Immanuel Kant

deutscher Philosoph

* 22.04.1724 Königsberg
† 12.02.1804 Königsberg

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Es bedarf einer sensiblen Lebensgrundstimmung, bevor ein Mensch Ehrfurcht und Bewunderung als Seelenregung bewusst in sich erfährt. Heute, so scheint es uns, sind diese feinen Empfindungen seltener geworden. Die Zeiterscheinung mit ihren schnellen und überladenen Impulsen, die uns ständig takten, drängen und herausfordern, lassen uns oft nicht die Muße, um der Ehrfurcht einen adäquaten Raum in uns zu geben. Und auch unsere Fähigkeit zur Bewunderung scheint sich verändert oder in eine ganz andere Richtung verlagert zu haben. Heute bewundern wir ganz andere Dinge und haben oftmals das Staunen vor der Großartigkeit der Schöpfung aus unserem Blick und Sinn verloren. Stattdessen bewundern wir viele menschliche Leistungen, die auch in der Tat ganz enorm groß sein können, aber übersehen dabei das noch Größere, das dahintersteht und all dies doch alles erst ermöglicht. Wir übersehen es auch, weil es oft im Unscheinbaren liegt.

Zu Immanuels Kant Zeiten war es mit der Fähigkeit des Bewunderns, Erstaunens und der Ehrfurcht noch anders bestellt. Vor allem die großen Geister dieser Zeit speisten noch aus jenem Staunen heraus ihren Verstand und ihre Vernunft, die den tiefen Blick fürs Wesentliche brauchte. All das beflügelte auch ihre Intuition und die Fähigkeit zur Imagination. Das Vermögen des feinen Erlauschens und Erschauens wurde jedoch nicht nur im Außen des Lebens angewandt, sondern wandte sich auch dem inneren Kern des Menschen zu. Dem der Seele und des Geistes.

Der berühmte Philosoph sah den gestirnten Himmel mit all seiner Schönheit und Pracht, die er Nacht für Nacht für das menschliche Auge entfaltet, gewiss nicht nur als eine quantitative Ansammlung von Sternen, Sonnen und Planeten, sah all dies gewiss nicht nur allein unter spannenden astronomischen Fragestellungen, wiewohl ihn Letztere natürlich auch gedanklich herausforderten und beschäftigten. Kant und viele Menschen seiner Epoche konnten sich noch umfänglicher der Schöpfung und ihren vielfältigen Erscheinungen widmen. Den noch offenen wissenschaftlichen Fragen wurden auch die Frage nach den letzten Dingen mit an die Seite gestellt, um zu ganzheitlichen Auffassungen zu kommen. Dazu gehörten auch die Gottesfrage, die Frage der Schöpfung, des Urgrundes und des Seins.

Erkennendes Erschauen braucht den tieferen Blick in die Dinge

Was sich im Außen spiegelte, war auch im Inneren erkennbar, wenn man einen Zugang zu dieser Art des Erschauens bekam. Die vielen Sonnen am äußeren Firmament können symbolisch Pate stehen für die vielen Sonnen, die wir auch im eigenen Herzen entdecken können. Die Vielfalt unserer charakterlichen Veranlagungen, die letztlich auch eine Frage des Bewusstseins sind, harren oft noch unserer Entdeckung und unserer weiteren Pflege.

Ein menschliches Gemüt, das die Seelenregung für den Blick in den gestirnten Himmel aufzunehmen weiß, wird es mit seinem erweiterten Herzdenken verbinden wollen. Dies geht weit über die intellektuellen Fragestellungen hinaus. Hier kommt oft das Bedürfnis auf, aus dieser Schau auch die eigene Entwicklung gleich mit zu fördern und zu speisen und Bewusstseinsinhalte tiefer als bisher zu ergreifen.

Doch wozu das alles? Vielleicht, weil es uns als Chance und Aufgabe mit in die Wiege gelegt wurde, das bestehende Schöpferische weiter zu bearbeiten, weil es in seinem Wesen grenzenlos ist. Ist es nicht unsere Aufgabe, unsere Talente und Fähigkeiten zu pflegen, fördern und auszubauen, weil aufgrund ihres Vorhandenseins die Welt und damit auch die Schöpfung vom Guten in ein noch Besseres verwandelt werden kann?

Wie viel Mangel in der Welt noch an diesem und jenem herrscht, wie viel die Menschen, die guten Willens sind, dem noch an Gutem durch freiwilliges Tun und eigene Kreativität zur Seite stellen könnten, sehen wir alle, wenn wir nur wachen Auges durch die Welt gehen. Die Schöpfung selbst ist so perfekt angelegt, dass sie selbst uns noch Raum für eine weitere Perfektionierung lässt, auf das wir als Geschöpfe selbst zum Mit-Schöpfer werden.

Die Größe des Universums gemahnt uns an die eigene Größe, die wir vermutlich ebenso wenig in ihren Grenzen schon entdeckt haben, wie das endlose All. Kant wusste dies durch seine Lebenshaltung und seine Weisheit miteinander zu verknüpfen.

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