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Frauen kommen langsam - aber gewaltig!
Starker Mann was nun
keine Zeit mehr was zu tun
Frauen kommen langsam
- aber gewaltig-
Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat
Die Frauenbewegung ist alt. Die Frauenbewegung ist jung. Je nach Blickwinkel, wie man sie ab welchem Zeitpunkt definiert. Denkt man beispielsweise an das bereits sehr alte Matriarchat, also die Herrschaft der Frauen, so sind Frauen schon lange auf dem Vormarsch in der menschlichen Geschichte. Vormarsch, um endlich einmal zu einem Gleichmarsch mit dem anderen Geschlecht zu kommen, das in der Regel bisher viele Schritte voraus ist. Vor allem in Sachen Rechte und Freiheiten, Vorteile und Macht.
Das Matriarchat ist eine Gesellschaftsform, in der alle sozialen und rechtlichen Beziehungen über die mütterliche Linie organsiert sind. Die Vorstellung einer Ahnfrau oder die der Großen Göttin spielt die zentrale Rolle in Religion und Gesellschaft. Aber auch alle anderen Formen, in denen die Frauen die politische und gesellschaftliche Macht bestimmen und repräsentieren, ordnet man diese dem Begriff des Matriarchats zu. Die Regel in der Menschheitsgeschichte jedoch ist die Herrschaft der Männer, das Patriarchat, das bis heute ungebrochen die Dominanz inne hat.
Frauen wird im Allgemeinen eine friedliebendere Gesellschaftsordnung als jener der Männer zugetraut. Die Masse der weltweiten Kriege, des Terrors und der Bedrohung sprechen in patriarchalischen Zeiten für sich selbst. Dies ist einer der Gründe, warum sich viele Menschen mehr Einfluss von Frauen auf die globale Politik wünschen.
Dennoch zeigt uns auch die kurze und überschaubare Geschichte des Matriarchats, dass eine Friedfertigkeit der Frauen keinesfalls zwingend der Fall ist oder etwa ein biologischer Automatismus. Frauen bildeten auch schon in früheren Zeiten Kriegerkasten. Man kennt sie bei den Nayar in Südindien, bei den Irokesen und Huroren. Oder man denke an die Frauen des zentralbrasilianischen Hochlandes, die Bororo und die Munduruke aus dem Amazonasgebiet. Sie waren alle wegen ihrer kriegerischen Aggressivität gefürchtet, die sich teils auch durch erhebliche Grausamkeiten auszeichnete. Doch diese Grausamkeit, die für die meisten von uns heute unvorstellbar ist, war Teil einer gewachsenen Tradition. Und Historie ist immer auch im Kontext seiner Zeit zu betrachten und zu bewerten.
Langsam – aber gewaltfrei und machtvoll
Handelte es sich hierbei es die Ausnahme von der Regel? Vermutlich kann diese Frage auch deshalb kein Ethnologe oder Historiker beantworten, weil die Anzahl der matriarchalischen Gesellschaften mitsamt ihrem Zeitraum in der Menschheitsgeschichte zu niedrig war. Und vom Einzelwesen Frau und ihrem häufig friedliebenderen Charakter auf eine friedliche Herrschaft der Frauen zu schließen, dürfte aus vielen Gründen unzulässig sein.
Heute stellt sich die Message von Ina Deter wohl mehr in die Tradition der Emanzipationsbewegung. Sie dauert nicht Jahrzehnte, sondern wird wohl Jahrhunderte dauern, bis sie global verwirklicht ist. Insofern kommen Frauen tatsächlich "langsam – aber gewaltig". Vielleicht hätte man es auch umformulieren können in: "Langsam – aber gewaltfrei und machtvoll".
Manch eine Frau mag in Bezug auf die moderne Bewegung auch die Macht des alten Matriarchats mit im Sinn und im Zielfokus haben. Die überwiegende Anzahl der Vertreterinnen dieser gesellschaftlichen Strömung kämpfen jedoch in erster Linie vor allem gegen das de facto bestehende Unrecht auf vielen Gebieten. Denn die Benachteiligung der Frauen in Beruf, Gesellschaft, Wirtschaft, Recht oder Familie ist trotz vieler Gesetzesveränderungen noch immer Realität. Vorteile oder Bevorzugungen der Männer finden sich zudem oft in solchen Bereichen, die gesetzlich gar nicht erfasst sind. Da geht es dann um Seilschaften, Beziehungen, Ressentiments oder Intoleranz. Hier ist ein altes Bild in vielen Köpfen zementiert, dass sich über Jahrtausende hin stark verankert hat: Frauen können weniger gut denken, sind das schwächere Geschlecht, gehören an Haus, Hof und Herd… um es plakativ noch einmal aufzuzeigen.
Wie irrwitzig diese Haltung ist, braucht keine langen Erklärungen, da die Wirklichkeit der Frauen mit Kraft, Macht, Intelligenz und Weisheit all diese Vor- und Fehlurteile seit Jahrhunderten abstraft. Erstaunlich ist dennoch, in welchen Ecken der Welt es sich besonders hartnäckig hält.
Die Kraft der leisen Töne und der behutsamen Schritte
Frauen bevorzugen bei ihren Vorhaben oft nicht nur die leisen Töne, sondern auch die behutsamen Schritte. Viele gehen ihre starken Wege durch das Unscheinbare und Unspektakuläre. Viele tun es anonym und ohne den Egozentrismus, dem so viele Männer verfallen. Dieser Art des weiblichen Vorgehens jedoch nicht genug Respekt und Achtung zu zollen, zeigt nur, wie wenig man die innewohnende Kraft des Andersartigen schon erkennt.
Qualitäten werden sich letztlich durchsetzen, aber es braucht eben auch den Faktor Zeit. Umgekehrt gilt auch immer die Regel von der Ausnahme in beiden Geschlechtern, was weise Könige der Vergangenheit ebenso zeigen, wie machtvolle Weiber, die in ihrem Egozentrismus auch vielen Männern nicht nachstehen. Im letzteren Fall ist dann eine Strömung mit in Gang gekommen, die sich am Gleichen versucht, ohne die Gefahr zu erkennen, wohin es führen kann, wenn beide Geschlechter die gleichen Fehler wiederholen.
Je selbstbewusster und innerlich freier mehr und mehr Frauen werden, je klarer sie sich ihrer Rolle im Leben und in der Gesellschaft bewusst werden und je mehr sie auch existenzielle und damit finanzielle Selbstbestimmung erlangen, werden sie ihren Kampf für Gleichberechtigung auch erringen und sich allen weiteren diskriminierenden Versuchen zu entziehen wissen. Doch braucht es dazu einen Geschlechterkampf? Ich meine: Nein. Was es braucht ist Einsicht in das Bessere. Einsicht in die Chancen, die in beiden Geschlechtern wohnen und die so genutzt werden sollten, wie sie angelegt sind.
Da nun jeder Mann auch weibliche Anteile in sich trägt und umgekehrt jede Frau auch männliche Anteile ist es in Zukunft vermutlich ein symbiotischer Mix, der darüber bestimmen wird, ob und welche männlichen und weiblichen Eigenschaften nicht nur das persönliche Schicksal eines Individuums mit entscheidend prägen, sondern auch den Lauf der Geschichte beider Geschlechter.
Frauen mögen langsam kommen, aber sie kommen. Sie sind auf ihrem Weg und niemand wird sie stoppen. Je behutsamer, fairer und weisheitsvoller sie dabei vorgehen, umso stärker wird sich ihre wirkliche Macht zeigen. Vielleicht ist es in späteren Zeiten vor allem dann eine solche Macht, die sie erarbeiten und erringen können, die darauf abzielt, im Äußeren immer weniger Macht ausüben zu müssen. Konstruktives Wirken ohne Machtgehabe. Mehr mit Takt und Feingefühl als mit Drohungen oder klirrenden Waffen die eigenen Vorhaben durchsetzen. Mehr mit Verstehen und Erkennen agieren und regieren, statt mit Gesetzen und Verordnungen.
Vielleicht werden Frauen innerlich einmal so weise und machtvoll, dass sie die Macht überflüssig durch sich selbst machen und ihres Instrumentariums nicht mehr bedürfen. Doch das ist auch für Frauen noch ein weiter Weg. Und vielleicht ist der Weg sogar leichter und schneller erreichbar, wenn man ihn friedlich mit dem anderen Geschlecht versucht.