Otto Ludwig über Glück

  • Wer den Himmel nicht in sich selber trägt, sucht ihn vergebens im ganzen Weltall.

Otto Ludwig

deutscher Schriftsteller

* 12.02.1812 Eisfeld, Werra
† 25.02.1865 Dresden

Gedanken von Christa Schyboll zum Zitat

Nicht nur des Menschen Wille ist sein Himmelreich, wie uns das allseits bekannte Sprichwort von Johann Jakob Wilhelm Heinse im Ohr klingt, sondern der Himmel ist im Menschen selbst zu verorten, wie Otto Ludwig meint.

Und doch schauen wir alle immer wieder zum Firmament, wenn wir Bitten oder Sorgen haben und vermeinen noch immer den Himmel ins Außen der Welt zu verlegen zu müssen. Dabei richten wir unsere Augen in der Regel nach oben und nicht etwa in die Weite oder nach unten in die Tiefe der Erde. Vielleicht ist dies ein alter Reflex des Menschen, der das Höhere eben über sich vermutet? Deshalb wird der Himmel von Gläubigen oft in den höheren Luftschichten gefühlt verortet oder sogar geglaubt, andere verlegen ihn imaginär vielleicht sogar hinter die Weiten des Alls, wo immer das auch sein Ende finden mag. Doch all das sind Metaphern für etwas Ungreifbares, das uns in anderer Weise doch ständig gegenwärtig und oft gefühlt so nah ist.

Aber was bedeutet denn der Himmel, wenn nicht diese ungreifbare Nicht-Örtlichkeit gemeint ist? Welche Art Himmel hatte Otto Ludwig im Sinn, wenn er davon spricht, dass wir ihn doch in uns selbst tragen?

Wir können gewiss davon ausgehen, dass er etwas Religiöses oder Spirituelles meinte, das der physischen Planetenwelt enthoben ist. Der Himmel ist also nicht ein kosmischer Raum, sondern er korrespondiert mit dem Überirdischen, dem Göttlichen, an das wir selbst durch unseren Geist, unser Bewusstsein oder unseren Glauben und unsere Gefühle angebunden sind.

Einst stand der Sternenhimmel einmal Pate für dieses Ungreifbare, dass zu allen Zeiten und in allen Kulturen die Sehnsucht des Menschen befeuert hat. Sehnsucht nach paradiesischen Zuständen, die vor allem den inneren Frieden betreffen. Aber auch Sehnsucht nach einer Urquelle, einer Heimat, in die wir uns nach dem Tod zurücksehnen und von der wir glauben, dass wir ihr einst entstammten. In manchen Religionen werden mit dem Begriff des Himmels auch durchaus irdische Freuden verbunden. Die alte Götterwelt Griechenland legt uns dafür ebenso Zeugnis ab, wie auch die Vorstellungen des Islam von Allahs Reich.

Über all die vielen religiös geprägten Detailunterschiede zur Vorstellung eines Himmels bleibt jedoch allen gemeinsam, dass es ein Hort ist, der Verheißung verspricht. Gerechtigkeit, Freude, Frieden, danach verlangt uns in unserer Seele. Und wie sehr wir uns den Himmel auf Erden wünschen, wissen wir selbst, wenn wir nur in einer entsprechenden Not sind und keine Rettung in Sicht ist. Dann senden wir Gebete zum Himmel, weil das Unerklärliche und Ungreifbare uns plötzlich so nah ist.

Wo der Himmel ist, ist die Hölle nicht weit

Bevor der letzte Mensch einmal begriffen haben wird, was Otto Ludwig damit meint, dass wir den Himmel in uns tragen und ihn keineswegs im Weltall suchen müssen, wird es gewiss noch viele Anleihen an die alten Vorstellungen von Himmel und himmlischem Paradies geben. Er galt zudem auch schon immer als Heimat göttlicher Wesen und als ein Ort, an dem wir nach dem Tode unser Leben in anderer Form fortführen.

Doch wo ein Himmel ist, ist eine Hölle nicht weit, weil der Mensch gewohnt ist, alles in Kategorien von Gegensätzen zu denken. Gelangt man zur Hölle, weil man kein gottgefälliges Leben führte, so ist man dort auch am weitesten von Gott entfernt. Hier ist der Ort der Bestrafung, der Sühne, der Reue oder der Verderbnis. Der Ort des Todes, des Versagens, der uns in den Abgrund führt und uns im höllischen Inferno jene bösen Taten büßen lässt, die wir auf Erden nicht auszugleichen vermochten. Hier herrscht die ewige Finsternis und Verdammnis.

Aber so wie es einen Himmel im Menschen geben kann, der zu Lebzeiten durch inneren Frieden erreichbar ist, so wird auch die Hölle zu Lebzeiten von vielen Menschen schon durchlitten. Die Hölle erlebt man dort, wo der Schmerz unablässig quält und kein Ende nimmt. Dabei kann es sich um physische Schmerzen oder seelische Qual handeln. Und es muss auch keineswegs immer eine uns bekannte böse Tat vorliegen, um trotzdem viel an Qualen zu durchleiden, was wie eine Hölle empfunden ist.

Himmel und Hölle können also nicht nur auf der Ebene religiöser Vorstellungen erfahren werden, sondern in der Metapher durch jede Form von Glück und Leid, das wir Menschen erfahren können.

Im Alten Testament lebte die Vorstellung einer zweigeteilten Welt. Es gab Himmel und Erde, wie uns die Genesis erzählt. In sechs Tagen erschuf der Schöpfergott JHWH aus dem Wüsten und dem Leeren Himmel und Erde. Die sichtbare Wirklichkeit war der Erde zugeordnet und die unsichtbar wirkenden Kräfte dem Himmel. Und die dort wirkenden Kräfte, die den ganzen Kosmos beleben, benannte man LA die himmlischen Heerscharen, die eine Hierarchie der Engel meint. Der Himmel JHWHs galt dabei als unerreichbar. Und jeder Versuch, ihn dennoch zu erreichen, wurde mit einer göttlichen Strafe nach den Vorstellungen des Alten Testamentes bedient.

Von der Erfahrung des Unsagbaren

Der Himmel im Christentum stellt die Hoffnung in den Raum, dass der Himmel der Platz sei, an dem die Menschen Gott begegnen können. Die Debatte, wie dies auszulegen ist, hat immer wieder neue Variationen in der kirchlichen Diskussion erfahren und es gab immer wieder neue Versuche der Entmythologisierung. Katholiken und der Protestantismus gehen dabei unterschiedliche Wege in der Sichtweise zum Begriff des Himmels. Bei den Katholiken steht bis heute das Dogma der Päpste im Vordergrund. Und so ist die Gottesschau für die katholische Lehre vom Himmel das Hauptmotiv, deren beseligende Erfahrung der Mensch auch schon zu Lebzeiten erfahren kann. In Psalm 73, 25 heisst es: »Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.«

Diese Art von Erfahrung dürfte vermutlich auch Otto Ludwig im Sinn gehabt haben, wenn er davon ausgeht, dass wir den Himmel nicht im außen suchen sollen, sondern in uns selbst. Doch was ist eine göttliche Erfahrung, was ist eine Gottesschau, damit auch eine Himmelsschau zu Lebzeiten, die manch einer behauptet, erfahren zu haben?

Menschen, die als Heilige oder Gurus gelten, und die von einer Gotteserfahrung berichten, sprechen oftmals vom Unsagbaren, vom Unbenennbaren. Unsere Sprache ist zu klein für die Größe der Erfahrung, die im Innersten ganz individuell erlebt wird.

In Matthäus 5, 8 heißt es: »Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.«

Inwieweit ein Mensch religiös sein muss, um eine transzendentale Erfahrung zu machen, und was diese Erfahrung des Himmels oder der Gottesschau letztlich ist, bleibt uns allen noch lange ein Geheimnis. Allerdings ein Geheimnis, das offenbar zu Lebzeiten an jedem Ort der Welt potenziell von allen Menschen erfahrbar ist, so sie die Reinheit des Herzens erreicht haben und damit dem Göttlichen nahekommen können.

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