William Shakespeare über Altersstufen

  • Sein Leben lang spielt einer manche Rollen
    durch sieben Akte hin: Zuerst das Kind,
    das in der Wärtrin Armen greint und sprudelt;
    der weinerliche Bube, der mit Bündel
    und glattem Morgenantlitz wie die Schnecke
    ungern zur Schule kriecht; dann der Verliebte,
    der wie ein Ofen seufzt mit Jammerlied
    auf seiner Liebsten Brau'n; dann der Soldat
    voll toller Flüch' und wie ein Pardel bärtig,
    auf Ehre eifersüchtig, schnell zu Händeln,
    bis in die Mündung der Kanone suchend
    die Seifenblase Ruhm. Und dann der Richter
    im runden Bauche, mit Kapaun gestopft,
    mit strengem Blick und regelrechtem Bart,
    voll abgedroschner Beispiel', weiser Sprüche,
    spielt seine Rolle so. Das sechste Alter
    macht den besockten hagern Pantalon,
    Brill' auf der Nase, Beutel an der Seite,
    die jugendliche Hose wohl geschont,
    'ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden,
    die tiefe Männerstimme, umgewandelt
    zum kindischen Diskante, pfeift und quäkt
    in seinem Ton. Der letzte Akt, mit dem
    die seltsam wechselnde Geschichte schließt,
    ist zweite Kindheit, gänzliches Vergessen,
    ohn' Augen, ohne Zahn, Geschmack und alles.

William Shakespeare

englischer Dichter und Dramatiker

* 23.04.1564 Stratford-upon-Avon (England)
† 23.04.1616 Stratford-upon-Avon (England)

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