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Roman Herzog

Als Roman Herzog, der erste Bundespräsident des wiedervereinigten Deutschland und der siebte in der Bundesrepublik Deutschland am 10. Januar 2017 im Alter von 82 Jahren starb, kam praktisch in jedem Nachruf auf den Verstorbenen die Ruckrede vor. Was das Staatsoberhaupt am 26. April 1997 in der Berliner Rede sagte, ist mehr als der Satz "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen." Es war damals auch eine Bestandsaufnahme deutscher ausufernder Kleinlichkeiten, die auch zwanzig Jahre danach nichts von ihrem Wahrheitsgehalt verloren haben: "Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal. 20 Jahre haben wir gebraucht, um den Ladenschluss zu reformieren. Die zentralen Herausforderungen unserer Zeit werden wir mit diesem Tempo ganz gewiss nicht bewältigen. Wer 100 Meter Anlauf nimmt, um dann zwei Meter weit zu springen, der braucht gar nicht erst anzutreten." Einer seiner Amtsnachfolger, Horst Köhler, witzelte 2004: "Warum bekommen wir den Ruck immer noch nicht hin? Weil wir alle noch immer darauf warten, dass er passiert."

Roman Herzog hat es seinen Mitmenschen nicht leicht gemacht. Er ist immer wieder aus allen Schubladen gesprungen, in die man ihn gerne vorschnell gesteckt hatte. An der Freien Universität Berlin war er erst von den Linken akzeptiert wegen seiner liberalen Einstellung, später galt er als reaktionär. Auch seine Arbeit als Verfassungsrichter war weitaus weniger vorhersehbar als es seine Gegner befürchtet hatten. Vor allem aber seine Fähigkeit, komplizierte Sachveralte so darzustellen, dass sie jeder verstand, machte ihn so populär. Was Herzog 1997 sagte, gilt heute (leider) mehr denn je: "Wer Initiative zeigt, wer vor allem neue Wege gehen will, droht unter einem, Wust von wohlmeinenden Vorschriften zu ersticken. Um deutsche Regulierungswut kennenzulernen, reicht schon der Wunsch, ein simples Einfamilienhaus zu bauen. Kein Wunder, dass es – trotz ähnlicher Löhne – so viel billiger ist, das gleiche Haus in Holland zu bauen."

Mit dieser Rede hat Roman Herzog eine Tradition begründet, die erst 2013 beendet wurde. Dabei wollte er gar nicht der erste Bürger des Staates werden. Er war eine Notlösung, weil der eigentlich vorgesehene Steffen Heitmann mit seinen ultrakonservativen Äußerungen unwählbar geworden war. Dafür opferte er sogar den Beruf, den er später als den schönsten Teil seines Lebens nannte: Richter am Bundesverfassungsgericht.

Dabei war das Leben dieses warmherzigen aber auch höchst intelligenten Mannes aus Niederbayern (Abiturnote 1,0) reich an Erfolgen. Schon mit 31 Jahren wurde er auf den Lehrstuhl für Staatsrecht und Politik an der Freien Universität Berlin als ordentlicher Professor berufen. Hier war er jeweils für zwei Jahre (ab 1967) erst Dekan, dann Prodekan der juristischen Fakultät. 1969 erhielt er den Ruf der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften ins viel ruhigere Speyer, war hier auch zeitweise Rektor (1971 bis 72). Der Berliner Juraprofessor Roman Herzog hatte sich gegen den Schusswaffengebrauch im Fall des getöteten Studenten Benno Ohnesorg ausgesprochen.

Parteipolitisches Engagement

Neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn engagierte sich Roman Herzog auch parteipolitisch. 1970 wurde er Mitglieder CDU, war Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises, war Mitglied im CDU-Bundesvorstand (ab 1979). Seite wissenschaftliche Laufbahn endete 1973, als er Staatssekretär in der Regierung von Rheinland-Pfalz erst unter dem Ministerpräsidenten Helmut Kohl, dann Bernhard Vogel. In Baden-Württemberg wurde erst Kultus- später Innenminister. (bis 1983). In seinem Amt als Innenminister rüstete er die Polizei auf: sie erhielt Gummischrot und CS-Reizgas. Er verstand das als eine Aktion der Deeskalation. Das freilich konnte nicht jeder verstehen.

Am 20. Dezember 1983 bekam er dann den schönsten Beruf seiner Laufbahn: er wurde Richter am Bundesverfassungsgericht, erst als Vizepräsident, am 16. November 1987 dann bis zum 30. Juni 1994 dessen Präsident. Am nächsten Tag tritt er dann das Amt des Bundespräsidenten an. Er ist der einzige Bundespräsident, der im Schloss Bellevue wohnte.

Seine Wahl am 23. Mai 1994 als Nachfolger von Richard von Weizsäcker war nicht vorgesehen worden. Herzog über Herzog: "ich war für mich dritte Wahl". Im Rennen um das höchste Staatsamt waren neben Johannes Rau (SPD) auch der ultrakonservative sächsische Justizminister Steffen Heitmann und die große alte Dame der Liberalen, die FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher. Während Helmut Kohl die Benachteiligungen von Frauen immer wieder zum Thema machte, hatte der Kandidat Heitmann andere Vorstellungen: "Unsere seit Jahrtausenden männlich bestimmten Strukturen" könnten nicht einfach von Frauen übernommen werden. Er forderte, "die Mutterschaft wieder ins Zentrum der Gesellschaft zu rücken".

Der liberale Roman Herzog erhielt zwar im ersten Wahlgang 45,6 Prozent der Stimmen, sein Gegenkandidat Johannes Rau 38,1. Hildegard Hamm-Brücher erhielt 10 Prozent. Die anderen beiden Kandidaten Jens Reich (Grüne) und Hans Hirzel (Republikaner) hatten keine Chance. Als nach dem zweiten Wahlgang nur noch Rau, Herzog und Hirzel übrig blieben, war die Wahl klar: Herzog 52,6, Rau 45,7 Prozent der Stimmen. Johannes Rau wurde fünf Jahre später Nachfolger von Herzog, der schon zu Beginn der Präsidentschaft angekündigt hatte, sich nicht wieder wählen zu lassen. Sein Amt begriff er als Versöhner, Vermittler. Er besuchte mehr als 100 Städte in den neuen Bundesländern und 72 Länder rund um den Globus. Zu den schwierigsten Fällen dürften wohl die Besuche in China als erstes deutsches Staatsoberhaupt nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens gehören und die Aussöhnung mit den Juden gehören. Er schuf den 27. Januar als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.

Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt war Herzog immer noch ein gefragter Gesprächspartner. So arbeitete er an einer europäischen Grundrechtecharta mit. Auch bei der Reform der Sozialsysteme war seine Meinung gefragt. Ihr gefolgt ist man allerdings dann doch nicht. Herzog wurde er auch immer wieder seinem Ruf gerecht, ein unabhängiger Kopf zu sein, der auch vor deutlichen Worten nicht zurück schreckte. Als er 2008 der Bild-Zeitung ein Interview gab, war die Aufregung vorprogrammiert. Herzog: "Ich fürchte, wir sehen gerade die Vorboten einer Rentnerdemokratie. Die Älteren werden immer mehr und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie. Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern."

Roman Herzog war seit 1958 mit Christiane Krauß verheiratet. Chritiane Krauß hatte ihren späteren Mann schon kennengelernt, als sie 13 Jahre alt war. Es sei aber keine Liebe auf den ersten Blick gewesen, hat sie später gesagt. In der Ehe wurden zwei Kinder geboren: Markus (1959) und Hans Georg (1964). Christiane starb am 19. Juni 2000. Am 4. September 2001 heirateten Herzog und etwa sieben Jahre jüngere Alexandra Freifrau von Berlichingen. Auf dem Familiensitz seiner zweiten Frau, der Burg Jagsthausen hat Herzog bis zu seinem Tod dann gelebt.

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