Entschleunigung als Ankunftsziel

Advent kann auch Ankunft bei sich selbst sein, meint Christa Schyboll

Advent ist Ankunftszeit. Menschen, die heute nicht mehr in der religiösen Tradition leben, mögen sich fragen: Wer oder was kommt an? Ah, das Christkind? Die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem? Diese alte Weihnachtsgeschichte… Legende oder Wirklichkeit?

Was für einen selbst wirklich und wahr ist, entscheidet letztlich auch der Einzelne für sich selbst. Damit entscheidet er auch über die Bedeutung und Qualität, die er dieser stillen Zeit im Jahr geben möchte. Doch wo ist sie noch still? Still kann man sie nur begehen, wenn man sich zuhause einigelt, sofern keine häuslichen Störer diese Sehnsucht unterlaufen. Oder aber, wenn man tatsächlich in die freie Natur geht und mit ihr und den Tieren und Pflanzen des Waldes alleine ist.

Sonst ist die "stille Zeit" doch sehr laut. In den verstopften Straßen nerven uns laute, oft hupende Autos, die verzweifelt nach einem Parkplatz Ausschau halten. Überall spielt Musik, die man schon nicht mehr hören mag. Und ausgerechnet die schönsten Weihnachtslieder wurden durch eine uns allen aufgezwungene Massenbeschallung zur Un-Melodie schlechthin, die wir nur noch ausblenden mögen. Zu viel davon! Zu oft, zu lange! Wir sind übersättigt.

Wie gern würden wir selbst ankommen! Ankommen bei uns selbst – oder bei unseren Liebsten, von denen wir oft innerlich getrennt sind, auch wenn wir äußerlich mit ihnen leben. Das wäre ein schönes Weihnachten. Aber schon das Ankommen in und bei uns selbst ist nicht einfach. Denn es fordert von uns eine ganze Menge im Vorfeld. Wir müssten nicht nur den Alltag, den Stress, die Sorgen erst einmal hinter uns lassen, um diesen Akt wirklich zu vollziehen und über Stunden und Tage auch zu genießen, sondern wir müssten uns auch uns selbst stellen.

Da können dann unangenehme selbstkritische Fragen auftauchen, die wir vor uns selbst zu be- und auch verantworten haben, wenn wir tatsächlich in die Tiefes des eigenen Seins eintauchen wollen. Harmonie, sofern wir von einer authentischen, inneren sprechen und nicht von einer gespielt-äußeren, fordert einen hohen Preis von jedem von uns. Ehrlichkeit, Selbstkritik, Verzeihen sind dabei nur drei Elemente, die anzugehen sind.

Dennoch ist die Zeit vor Jahresende dafür gut geeignet. Vorausgesetzt, man entledigt sich all jenem unnützen Konsumterror, sagt gesund: Nein, Danke! - und setzt an, sich auf den Weg zu sich selbst aufzumachen. Ziel ist Ankunft, Advent… Und wer religiös ist, wird dabei empfinden, dass diese Ankunft auch im Sinne des christlichen Idealbildes ein wunderbarer Akt gesunder Entschleunigung ist, der uns dem Wesentlichen näher bringt.

— 17. Dezember 2015
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