Qual der Wahl

Die Vergewaltigung der Demokratie kommentiert Tom Borg

Wozu wird dann überhaupt noch gewählt wenn die Politiker sowieso machen was sie wollen? Wir brauchen eine Regierung, keine Oberlehrer die uns zu irgendwas erziehen wollen. Politker sollten einfach mal den Mehrheitswillen des Volkes akzeptieren, egal ob ihnen das gefällt oder nicht.

Nach der Wahl ist vor der Wahl - und selten musste man das so wörtlich nehmen die bei der Bundestagswahl 2013. Da wurde zwar gewählt, aber nicht so eindeutig, dass Angela Merkel mit der CDU/CSU alleine regieren kann. Sie braucht einen Koalitionspartner ; und da der traditionelle Mehrheitsbeschaffer - hatte die FDP eigentlich auch mal eine andere Existenzberechtigung? - an der 5% Hürde scheiterte, stehen nun nur noch SPD und Grüne zur Wahl. Und beide zieren sich wie die Jungfer beim ersten Händchenhalten.

Ja, Politiker haben es wirklich nicht leicht; ständig funken Journalisten und Wähler dazwischen, indem sie etwas aufdecken, was geheim bleiben sollte, oder wählen, wie sie nicht wählen sollten. Dabei ist die Sache doch eigentlich ganz einfach: Der Souverän sagt per Stimmzettel was er möchte und die so mandatierten Politiker sollen das bittschön so umsetzen. Doch da fängt der große Schlamassel an. Denn das Umsetzen besorgen Politiker, nicht externe Experten. Um Minister zu werden, braucht man kein Fachwissen, sondern das richtige Parteibuch. Und mit dem Parteibuch bringen potentielle Koalitionspartner auch gleiche eine zugehörige Parteimeinung mit.

Dumm nur, dass der Souverän klar und deutlich gezeigt hat, dass er das andere nicht will, beispielsweise Steuererhöhungen, um nur ein Thema herauszupicken. Die SPD ist mit ihren Vorschlägen, etwas anderes ist ein Wahlprogramm ja nicht, auf wenig Gegenliebe gestoßen. Die Wähler wollten etwas anderes, doch es reicht nicht für Angela Merkel. Sie braucht Unterstützung. Die bekommt sie aber offenbar nur dann, wenn sie zuvor ihr eigenes Wahlprogramm, das von fast der Hälfte aller Wahlberechtigten als gewollt angekreuzt wurde, über den Haufen wirft, und vom Wähler abgelehnte Vorschläge mit berücksichtigt. Damit wird der Wählerwillen gleich doppelt ignoriert: Einmal indem die nicht gewählten Vorschläge doch reingedrückt werden und ein weiteres Mal indem das Gewählte zur Seite gelegt wird.

Wozu, fragt sich ein einfacher Wähler, wird dann überhaupt noch gewählt - wenn die Politiker sowieso machen was sie wollen? Wir brauchen eine Regierung, keine Oberlehrer die uns zu irgendwas erziehen wollen. Folgt man den Vorschlägen der SPD oder Grünen nicht, dann wollen die mit ihrem Spitzenpersonal kein Fachwissen zur Regierungsarbeit beisteuern, wenn es nicht so gemacht wird, wie sie es wollen - aber, wohlgemerkt, der Wähler, das Volk, nicht - dann spielen sie beleidigte Leberwurst. Das Mandat des Wählers wollen sie aber trotzdem behalten, nur dessen Willen wollen sie nicht ausführen. Ein Pflicht dazu besteht leider nicht, denn der gewählte Volksvertreter ist nur seinem Gewissen verantwortlich, egal ob er ein solches besitzt. Aber immerhin die Pflicht, den Bürger zu vertreten, wie auch immer er das macht, hat er schon noch. Und zum Thema Pflicht schrieb Berthold Auerbach vor 200 Jahren: "Was wäre die Erfüllung der Pflicht, wenn sie kein Opfer kostete?" Der gleiche Auerbach übrigens, der so treffend ergänzte: "Eine Idee muss Wirklichkeit werden können oder sie ist eine eitle Seifenblase." Doch wie soll etwas Wirklichkeit werden können, wenn man sich verweigert?

Grundursache der ganzen Komplikationen ist die Verquickung von Personen und Programmen. Das Volk wählt mit der einen Stimme eine Partei mit ihrem Parteiprogramm als Wahlvorschlag für die Lösung von Problemen, und mit der anderen Stimme eine Person, die dazu bevollmächtigt ist, den Wähler im Parlament zu vertreten. Diese Volksvertreter beanspruchen jedoch auch automatisch, die Regierung bilden zu wollen, was prinzipiell ja auch noch ok wäre. Aber warum kann man denn nun nicht den Mehrheitswillen des Volkes akzeptieren und sein Fachwissen beisteuern als Koalitionspartner mit einer Handvoll Ministerposten? Weil man sich als persönlicher Verlierer vorkommt, wenn man mit seinen Fähigkeiten etwas realisieren soll, was den Herrschaften gegen den persönlichen Strich geht? Wenn es der Wähler nun mal so will…, dann sollten das auch alle Parteien akzeptieren. Wirklich gute Politiker würden verstehen, wie sie dem Wähler seine Wünsche erfüllen und im Laufe der Zeit immer deutlicher aufzeigen, dass es andere Lösungsmöglichkeiten gäbe, die für alle erfolgversprechender wären. Das Volk würde sich sicherlich nicht sträuben, eine nicht gewählte Verbesserung anzunehmen, wenn sie denn wirklich besser wäre. Das zu beweisen, gäbe es Möglichkeiten genug, wenn man seinen Job in der Regierung gut macht und kontinuierlich Vorschläge macht, wie es ggfs. auch besser ginge, ohne dass dabei irgendwer irgendein Wahlversprechen brechen müsste, denn man darf ja schließlich dazulernen und sich den aktuellen Bedürfnissen des Staats anpassen. Aber dazu müsste man sich eine Zeit lang fügen - dem Wählerwillen und der vom Wähler gewählten Kanzlerin. Und damit haben offenbar zwei Parteien ernste Probleme.

Als einfacher Wähler kann ich darüber nur mit dem Kopf schütteln. Was bilden sich diese Politiker eigentlich ein? Nicht nur, dass Grüne mit Veggy-Day und wie die SPD mit Steuererhöhungen vom Wähler abgeschmettert wurden. Jetzt wollen sie auch noch als Oberlehrer auftreten und der Nation erklären, dass nur dann regiert wird, wenn wir gefälligst schlucken, was wir nicht freiwillig wählen wollten?

Das klingt so, als würde mitten in Berlin eine Horde Touristen Heißhunger bekommen und eine Pizzeria stürmen. An der Würstchenbude laufen sie vorbei und den China-Koch lassen sie auch links liegen. Aber der Pizza-Bäcker kann so viele Gäste nicht alleine bekochen und fragt seine unterbeschäftigen Kollegen ob sie bitte mithelfen können, die hungrigen Gäste zu beköstigen. Die winken aber ab mit der Begründung: Nur wenn auf der Pizza eine Frühlingsrolle serviert und das Ganze mit einem Kleks Mayo und Ketchup garniert wird. Das wäre Quatsch mit Soße? Nein, Demokratie a la SPD und Grüne…

— 28. September 2013
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