Dummheit

Wer sie klug einzusetzen weiß, ist echt clever - meint Christa Schyboll

Ihnen ist hoffentlich bewusst, dass Lesen ihre Dummheit gefährdet. Insofern überlegen sie kurz, ob Sie nicht besser die Seite jetzt wechseln. Wenn nicht, lassen Sie mich einmal offen fragen: Wie fühlen Sie sich, wenn ich Sie frage, ob Sie eventuell geistig retardiert sind? Genau in diesem Wortlaut.

Vermutlich schmunzeln Sie, so Sie mich verstanden haben und fühlen sich geschmeichelt. Warum, wissen Sie selbst. Wenn ich Ihnen aber damit komme und behaupte vor Fremden, Sie seien echt saudumm, sollte ich auch einen wehrhaften Charakterzug haben, da mit Ihrer geballten Wut gerechnet werden muss.

Wie aber setzt man Dummheit als spezifische Intelligenz ein. Das zu untersuchen könnte doch sehr lohnend sein, weil man auf diese Weise wertvolle Kraftressourcen spart und sich zudem vor unangenehmen Dingen drücken kann. Es braucht natürlich eine gewisse Portion Cleverness, um so dumm daher kommen zu können, dass keiner Lunte riecht und Sie Ihre Ruhe behalten.

Weichbirnen haben hier schlechte Chancen. Dummheit will strategisch eingesetzt sein, damit man am Ende selbst kein dummes Gesicht macht. Für die clevere Form von Dummheit ist psychologische Raffinesse unverzichtbar. Sie muss mit Menschenkenntnis einhergehen und sollte sich nicht mit zu vielen Skrupeln selbst ein Bein stellen. Charakterfeste Zeitgenossen sind für clevere Dummheit meist nicht geeignet. Sie zaudern und zauseln zu sehr an Wahrheiten herum, die für diese Sache höchst lästig sind.

Die wissenschaftlichen Theorien, wonach Dummheit a) absolut sein soll und b) sich proportional umgekehrt zur Intelligenz verhält, können nur von schwachsinnigen Durchblickern stammen. Dummheit in höchster Veredelung ist Kunst. Ich kann es beweisen. Also nicht direkt hier vor Ort, aber ich kenne Menschen, die ich um ihre Kunstform vortrefflich eingesetzter Dummheit zutiefst beneide. Sie drücken sich in perfekt zelebrierter Scheinheiligkeit speziell vor unbezahlten sozialen Aufgaben am Mitmenschen und schustern sie gezielt wie geschickt Tölpeln wie mir zu. Man geht sie nicht um Darlehen an, traut ihnen keine Umzüge zu, weil sie clever genug sind, den handwerklich Behinderten zu mimen. Natürlich sind sie auch nie etwas Schuld, wenn es schief gelaufen ist. Saudumm schauen sie auf eine Art dann aus der Wäsche, dass man sich fast dafür entschuldigt, sie in die unangenehme Situation einer vorsichtigen Nachfrage zur Sachlage des Desasters gebracht zu haben.

Meine Lebenserfahrung mit Dummen und Saudummen lässt mich erahnen, dass es sich bei ihnen um die Blüte der Intelligenz handelt, die durch geschicktes Verhalten uns selbst in die Dummheit entlässt. Vielleicht sollte ich mich einfach auf die andere Seite schlagen und nicht mehr weiter naiv darauf bestehen, doch nicht nur saudumm zu sein…

Den klugen Spruch "Sei schlau, werde dumm" werde ich mir so lange an meinen Spiegel heften, bis er durchgreifend wirkt.

— 06. August 2010
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