Entliebt und ausgeträumt

Warum scheitern so viele Ehen, fragt sich Tom Borg

Je höher der soziale Standard und je besser die Lebensumstände, desto höher ist die Scheidungsrate. Begründet wird dies im Allgemeinen mit der sozialen Zweckgemeinschaft die einer Ehe oder generell der Familie innewohnt. In schlechten Zeiten halten die Menschen zusammen, helfen sich gegenseitig und gehen gemeinsam ihren Weg – auch als Ehepaar

Eigentlich ist die Antwort darauf einfach, oder gar so oft gegeben worden, dass man sich eigentlich mehr auf das "was dagegen tun?" konzentrieren sollte. Denn ein Blick auf die Entwicklung der Scheidungsraten hierzulande und anders wo zeigt es ganz deutlich: Je höher der soziale Standard, je besser die Lebensumstände, desto höher ist die Scheidungsrate. Begründet wird dies im Allgemeinen mit der sozialen Zweckgemeinschaft die einer Ehe oder generell der Familie innewohnt. In schlechten Zeiten halten die Menschen zusammen, helfen sich gegenseitig und gehen gemeinsam ihren Weg – auch als Ehepaar. Zu früheren Zeiten, als das Leben noch sehr viel härter und körperlich anstrengender war als heute, in wirtschaftlich schwachen Ländern und der Dritten Welt wo die Menschen um das nackte Überleben kämpfen, ist die Scheidungsrate deutlich niedriger als in modernen Sozialstaaten mit Gleichberechtigung und sozialer Absicherung. Obwohl es natürlich zu allen Zeiten und an allen Orten Liebe und Eifersucht, Liebes-Dramen und Tragödien und auch Scheidungen gab und gibt.

Aber mit dem Sicherstellen der Grundversorgung mit allem Lebensnotwendigen ändern sich die Interessen der Menschen vom gemeinsamen Überlebenskampf hin zur Selbstverwirklichung. Und diese sucht man in der Regel alleine. Es ist eher die Ausnahme, dass man mit einem Lebenspartner oder einen anderen Partner seinen Traum verwirklicht, denn Sieger stehen alleine im Rampenlicht. Vom Lebenspartner erwartet man meist Unterstützung zum Erreichen der eigenen Ziele, ganz im Sinne von: Hinter jedem großen Mann steht eine starke Frau. Doch die Frau von heute hat ihre eigenen Ziele und Träume und erwartet die gleiche Unterstützung von ihrem Partner. Eine Rechnung, die so nicht aufgehen kann.

Zwangsläufig lebt man sich auseinander, je intensiver man in seiner Aufgabe, sei es nun der Beruf, die Karriere oder sonstige Zielsetzung, aufgeht. Man verbringt zwangsläufig mehr Zeit mit Beruf und Selbstverwirklichung als mit der Familie und dem Lebenspartner. Was wiederum eine Lücke beim Lebenspartner hinterlässt, die dieser auszufüllen sucht – abseits des Lebenspartners, denn der ist ja anderweitig beschäftigt. So lebt man sich zwangsläufig auseinander – und die Gefühle füreinander bleiben irgendwann auf der Strecke. Zumal in der heutigen Zeit viel mehr Einflüsse auf uns Menschen einwirken als früher, wo der Lebensraum deutlich begrenzter war. Aktive Menschen haben in de Regel auch einen größeren Freundes- und Bekanntenkreis und lernen zwangsläufig auch mehr interessante und attraktive Menschen kennen. Und damit ist das Ende der Ehe in Sicht…

Als Frage bleibt: Wie vermeidet man diese Ende? Es gibt wohl zwei Extreme und eine Vernunftvariante: Entweder einer ordnet sich dem anderen unter oder beide wollen das gleiche gemeinsam – oder man führt eine offene Vernunftehe. Für die meisten kommt letzteres nicht infrage, weil man ja aus Liebe heiratet. Die Liebe stirbt aber irgendwann, wenn sich einer ständig entgegen seiner Träume und Wünsche unterordnen soll. Bleibt also eigentlich nur die Variante der gemeinsamen Interessen die aber nicht zwangsläufig beinhaltet, dass beide gemeinsam Weltmeister werden. Vielmehr ist eine gute Ehe immer auch ein gutes Team. Zwei Personen, die sich ergänzen und dabei dem jeweils anderen die Freiheit lassen, seinen eigenen Interessen nachzugehen, und ihm gleichzeitig soviel Liebe und Geborgenheit schenken, dass er über diese Interessen hinaus nicht vergisst, wo seine emotionale Heimat ist. Klingt langweilig? Nein, spätestens wenn man ein Rentnerpärchen im fortgeschrittenen Alter Arm in Arm durch einen Park spazieren sieht, ahnt man, dass es schön sein muss, eine verlässliche lebenslange Partnerschaft zu haben.

— 21. März 2012
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