Der Euro ist uns lieb und teuer

Vor allem letzteres, meint Tom Borg

Erste Warnungen haben wir nicht ernst genommen. Es regierte die Hoffnung auf mehr Gewinn und um sicherzustellen, dass der auch wirklich kommt, wurden immer größere Risiken in Kauf genommen. Die Rechnung wurde größer und teurer. Und jetzt haben wir den (Euro)Salat...

Als (T)Euro wurde der Euro schon immer verspottet. Schon bei seiner Einführung taten sich manche Kaufleute schwer mit dem Umrechnen und tauschten lieber "DM" gegen "Euro" - bei gleich bleibenden Zahlen.

Inzwischen wissen wir, dass dies noch das billigste am (T)Euro war. Und Schuld daran haben nicht nur die Griechen, sondern wir alle, die wir aus Faulheit, Lustlosigkeit, Desinteresse oder einfach nur persönlichem Eigennutz nicht rechtzeitig protestiert und reagiert haben. Als vor Jahren die ersten Defizit-Sünder, die eigentlich eine Strafe hätten erhalten sollen, begnadigt wurden, war das nicht eine großherzige Geste der Gemeinschaft, sondern der Freibrief für alle anderen, es ebenso zu halten. Es wurde munter defizitiert und manipuliert - und auch Deutschland konnte mehr Schulden gut gebrauchen. Allerdings, war Deutschland in der Lage, einen Teil dieser Schulden wieder abzubauen, während andere Länder - aus welchen Gründen auch immer - dies alleine schon aus strukturellen Gründen nicht können.

Verschärft wurde das ganze durch die - wiederum hausgemachte - internationale Finanzkrise. Ausgelöst durch Raffgier der Spekulanten und der nimmer satten Banken. Schon in früheren Jahrzehnten, als es noch die harte D-Mark gab, verteilten die Banken gerne Gelder an bedürftige Entwicklungsländer - und kassierten Zinsen auf die Kredite, solange es etwas zu kassieren gab. Konnten die Länder nicht mehr zahlen, wurden nicht die Kredite - wie es ein ordentlicher Kaufmann tun würde - abgeschrieben oder zumindest im Wert berichtigt, sondern munter aufaddiert mit dem vollen Vertrauen darauf, dass im Falle eines Schuldenerlasses die Regierung, sprich der Steuerzahler, die Ausfälle übernehmen wird. Wir alle hätten also gewarnt sein können, dass klamme Staaten und aufgeblähte Aktien am Ende von der Allgemeinheit bezahlt werden. Doch auch diese Lektion haben wir in den 1990er nicht gelernt. Damals boomte der IT-Markt, die Aktien von Kommunikationsunternehmen schossen in die Höhe, viel höher als selbst die größte Hoffnung eigentlich wert war. Und alle wollten sie haben, auch die Rentner und Hausfrauen, die mit ihren Ersparnissen mal eben ein Schnäppchen erheischen wollten. Am Ende wurde es teuer, als der Markt zusammenbrach und die Aktienwerte sich bei dem einpendelten, was sie wirklich wert waren.

Dann kam der (T)Euro - und wir alle wollten den Reibach aufgrund des grenzenlosen Geldverkehrs und der vereinfachten Zahlung im (T)Euro-Exportraum. Erste Warnungen haben wir nicht ernst genommen. Es regierte die Hoffnung auf mehr Gewinn und um sicherzustellen, dass der auch wirklich kommt, wurden immer größere Risiken in Kauf genommen. Die Rechnung wurde größer und teurer. Und jetzt haben wir den Salat...

Aus Angst vor dem Zusammenbruch, aus Angst vor dem eigenen Verlust, pumpen wir immer mehr Steuergelder in das bodenlose Bankenfass. Und das Loch in diesem Fass wird immer größer. Leistet sich doch alleine die Europäische Zentralbank (EZB) einen Neubau in Frankfurt, der sagenhafte 1,2 Milliarden kosten wird. Ein Prunkbau im Osten Frankfurts, der unbeachtet aller durchaus vorhandenen Vorteile in erster Linie eines verursacht: noch mehr Kosten. Und das nicht nur für ein teures Richtfest. Nein, auch im Umland des Baus explodieren die Preise - vor allem für Mieten und Grundstücke. Aber immerhin, ein Lichtblick, Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) ließ es sich nicht nehmen, die internationalen Banker in seiner Rede zum Richtfests des neuen EZB Prunkbaus darauf hinzuweisen und anzukündigen: "Die Ausgewogenheit muss bleiben. Dafür müssen wir sorgen." Fragt sich nur, wie teuer das wieder werden wird. Und irgendwie ist es auch unverständlich: wir blättern 1,2 Milliarden (letztlich Gelder der Bürger) hin, um einen Großbau zu finanzieren - und anschließend nochmal Millionen um die Folgen des teuren Großbaus zu beseitigen und auszugleichen...

Und nein, es ist keine globale Schelte auf die Banker, die sich an negative Schlagzeilen in der Frühstücklektüre eh gewöhnt haben wie unsereiner an das Knurren des Magens. Es ist vielmehr ein Blick in den Spiegel, auf unser eigenes Handeln. Denn "die da oben" die den Euro zum (T)Euro gemacht haben, tun letztlich nur das, wozu wir sie ermächtigt erhaben - und sei es auch nur durch fehlende Kontrolle. Der Satz "Jedes Volk bekommt die Regierung die es verdient" bringt die Sache auf den Punkt: Der (T)Euro ist uns offensichtlich lieb und teuer. Schließlich hätten wir ihn verhindern können, aber wir hofften auf bessere wirtschaftliche Möglichkeiten. Wir hätten uns früher informieren und interessieren können, aber wir wollten lieber unsere Freizeit genießen. Wir hätten uns engagieren können, aber wir hatten etwas besseres zu tun. Wir hätten das ganze System ändern können, aber wir hatten nicht den Mut, die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Wir jammern jeden Tag, aber haben nicht nur 365 Tage im Jahr die Möglichkeit, etwas anzupacken, sondern auch alle 4 Jahre die Chance, mit einem Kreuzchen etwas zu ändern, indem wir uns notfalls selbst zu Wahl stellen. Tun wir es nicht, dann ist es das, was die Juristen kurzerhand mit "billigend in Kauf nehmen" bezeichnen - und damit gestehen wir alle ein, dass er uns wirklich lieb und teuer ist, der (T)Euro...

— 21. September 2012
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